Die Analyse der Verwandtschaftsverhältnisse ist für die Beschreibung einer Gesellschaft von zentraler Bedeutung. Dass eine Kultur irgendeine Form von Verwandtschaft kennt, kann als universal betrachtet werden. Das Ordnungsprinzip der Verwandtschaft ist dabei jedoch von Kultur zu Kultur unterschiedlich und die Möglichkeiten ihrer Ausgestaltung bilden ein äußerst flexibles Universum.
So muss Verwandtschaft nicht wie bei uns biologisch begründet sein. Die im pazifischen Raum lebenden Ipesen beispielsweise definieren verwandtschaftliche Verhältnisse durch die gemeinsame Landbestellung. Bei den von Malinowski untersuchten Trobriandern wird der Vater nicht als Erzeuger, sondern lediglich als sozialer Vater wahrgenommen. Die zentralen Konzepte der Deszendenz und Allianz versuchen jene Kriterien aufzudecken, nach denen soziale Zugehörigkeit definiert wird.
In vielen Gesellschaften, so zum Beispiel bei den Nördlichen Magar im Himalaya (vgl. Oppitz: Onkels Tochter, keine sonst), existiert keine bürokratische Organisation. So wie bei uns der Staat die zentrale Instanz für die Organisation des sozialen Lebens ist, so ist dies bei ihnen die Verwandtschaft. Sie ist die Institution, durch welche die soziale Ordnung bestimmt und Identität gestiftet wird. In jenen nicht-staatlich organisierten Gesellschaften bestimmt sie das Erbrecht, konstituiert sie die Sozialstruktur und liefert den konzeptuellen Rahmen in deren Grenzen die Ausgestaltung des Lebens stattfindet. Man spricht hier von der generalisierten Struktur der Verwandtschaft, eine zentrale Institution, die alle Belange der Gesellschaft steuert.
Eine wichtige Methode der Verwandtschaftsethnologie ist die genealogische Methode.