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Mit der Reflexiven Anthropologie startet eine Entwicklung, die bis in die Gegenwart reicht. Der Untersuchungsgegenstand der Anthropologie wird nun der Anthropologe selbst. Seine Autorität wird infrage gestellt. Die Art und Weise der Repräsentation fremder Kulturen und der Anspruch, sie adäquat beschreiben zu können, rückt in den Blickpunkt der Strömungen ab den 1980ern. Die zentrale Frage lautet: wie sind die Ethnologen zu ihren Erkenntnissen gelangt und inwiefern kann die Ethnologie ihrem wissenschaftlichen Anspruch überhaupt gerecht werden.Der wichtigste Vertreter der Reflexiven Anthropologie und Auslöser der so genannten Writing Culture Debatte ist Clifford Geertz.

Seine These, dass alles, was der Ethnologe im Feld vorfindet, bereits Interpretation und daher an die Person des Ethnologen gebunden ist, stellt die Wissenschaftlichkeit der Ethnologie infrage.

Laut Geertz macht das Schreiben selbst ethnografische Texte bereits zu etwas literarisch geschaffenem und fiktionalem. Er unterstellt ihnen damit nicht Unwahrheit. Der Ethnologe sollte sich dieser Tatsache jedoch stets bewusst sein, denn Ethnographie gehorcht literarischen und rhetorischen Gestaltungskriterien. Zentral in diesem Zusammenhang ist das Werk: "Works and Lives" (dt. Die Künstlichen Wilden - der Anthropologe als Schriftsteller), in dem Geertz den Schreibstil von Bronislaw Malinowksi, Ruth Benedict, Edward Evans-Pritchard und Claude Lévi-Strauss nach literarischen Elementen, anhand derer sie ihre Glaubwürdigkeit im Feld unter Beweis stellen, untersucht. Dieses Werk macht Geertz zu dem Auslöser der Writing Culture Debatte.

Über seine Ethnologiekritik hinaus, gilt er als Begründer der Interpretativen Anthropologie, Teil der Reflexiven Anthropologie, jedoch hin und wieder auch synonymisch gebraucht. Wie der Name schon sagt, geht es bei der Interpretativen Anthropologie um Interpretation, um Hermeneutik.

Geertz zufolge ist Kultur ein Bedeutungsgewebe, das die Menschen selbst geschaffen haben. Die Analyse der Kultur ist daher keine Suche nach Gesetzmäßigkeiten, sondern eine Suche nach Bedeutungen. Das heißt, Kultur sollte als von vielen Autoren verfasster Text verstanden werden, dessen Bedeutung der Ethnologe in Zusammenarbeit mit den Angehörigen einer Gesellschaft versucht zu erschließen. Dieser Ansatz steht im Gegensatz zu Lévi-Strauss, der von einer unbewussten strukturellen Grammatik ausging, die nicht abgefragt werden kann.

Das Ergebnis der Untersuchung ist laut Geertz allerdings durch Einmaligkeit gekennzeichnet, und steht somit im Gegensatz zur Naturwissenschaft. Ethnologie sei stattdessen eine hermeneutische Wissenschaft.

Der Ethnologe muss das lokale Wissen und die lokalen Interpretationen einbeziehen, denn allein die lokale Bevölkerung hat das authentische Wissen, ihre Kultur zu interpretieren. Damit lenkt er den Blick der Ethnologie auf die Bedeutung des dialogischen Aspekts der Feldforschung.

Geertz: „Der Kulturbegriff, den ich verwende, bezeichnet ein historisch überliefertes System (pattern) von Bedeutungen, die in symbolischer Gestalt auftreten, ein System tradierter Vorstellungen, die sich in symbolischer Form ausdrücken, ein System, mit dessen Hilfe die Menschen ihr Wissen vom Leben und ihren Einstellungen zum Leben mitteilen, erhalten und weiterentwickeln. Der Interpretationsvorgang ist ein Verfahren zur Gewinnung von Bedeutung. Diese Bedeutung ist nicht individualpsychologisch verschlüsselt, sondern liegt in einem Netzwerk externer Symbole vor." (aus: Dichte Beschreibung)

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