Mit der Reflexiven Anthropologie startet eine Entwicklung, die bis in die Gegenwart reicht: die Auseinandersetzung mit der eigenen Rolle und Autorität der Ethnographen, der Art und Weise der Repräsentation fremder Kulturen und mit dem Anspruch, sie überhaupt adäquat beschreiben zu können. Die zentrale Frage lautet: wie sind die Ethnologen zu ihren Erkenntnissen gelangt und inwiefern kann die Ethnologie ihrem wissenschaftlichen Anspruch gerecht werden. Als wichtigster Vertreter der Reflexiven Anthropologie gilt Geertz, Clifford.
Laut Geertz macht bereits der Schreibprozess ethnografische Texte zu etwas literarisch Geschaffenem und Fiktionalem. Auch eine Ethnographie gehorche literarischen und rhetorischen Gestaltungskriterien. Zentral in diesem Zusammenhang ist das Werk: "Works and Lives" (dt. Die Künstlichen Wilden - der Anthropologe als Schriftsteller), in dem Geertz den Schreibstil von Bronislaw Malinowksi, Ruth Benedict, Edward Evans-Pritchard und Claude Lévi-Strauss nach literarischen Elementen, anhand derer sie ihre Glaubwürdigkeit im Feld unter Beweis zu stellen versuchen, untersucht.
Über diese Kritik der ethnographischen Autorität hinaus ist die reflexive oder auch interpretative Anthropologie durch ihre hermeneutische Methode gekennzeichnet. Kultur sei ein selbstgesponnenes Bedeutungsgewebe und ihre Analyse daher keine Suche nach Gesetzmäßigkeiten, sondern eine Suche nach Bedeutungen. Kultur soll als ein von vielen Autoren verfasster Text verstanden werden, dessen verdichtete Bedeutung sich erst durch Interpretation erschließt. Um zu einer adäquateren Repräsenation kulturell fremder Kulturen zu gelangen, ist es also notwendig, das lokale Wissen und die lokalen Interpretationen einzubeziehen.