Versionen im Vergleich

Schlüssel

  • Diese Zeile wurde hinzugefügt.
  • Diese Zeile wurde entfernt.
  • Formatierung wurde geändert.

In seinem Werk "Methoden der Feldforschung" formuliert Roland Girtler folgende 10 Gebote:

Der Feldforscher sollte:

  1. einigermaßen nach den Sitten und Regeln der Einheimischen leben, ihre Rituale achten und sich entsprechend kleiden.
  2. großzügig und unvoreingenommen sein, um Werte erkennen zu können und nicht nach eigenen Grundsätzen zu urteilen.
  3. nicht abfällig über seinen Gastgeber und jene Leute reden, mit denen er Bier, Wein, Tee oder anderes getrunken hat.
  4. sich ein solides Wissen über die Geschichte und die sozialen Verhältnisse aneignen und deshalb zunächst Friedhöfe, Märkte, Wirtshäuser, Kirchen oder ähnliche Orte aufsuchen.
  5. sich ein Bild von der Geographie der Plätze machen, an denen er forschen will, und zu diesem Zweck das Gebiet ablaufen und einen Weg finden, es von Oben zu betrachtet.
  6. über das Erlebte möglichst ohne Vorurteile berichten; ehrliches Nachdenken, Reflexion und Selbstkritik werden durch das Führen eines Tagebuchs angeregt.
  7. ero-epische Gespräche führen, die Menschen dabei nicht als bloße Datenlieferanten betrachten und mit ihnen so sprechen, dass sie sich geachtet und nicht unter Druck gesetzt fühlen.
  8. lernen, seinen Gesprächspartner einzuschätzen, um nicht hereingelegt oder bewusst belogen zu werden.
  9. sich nicht als Missionar oder Sozialarbeiter aufspielen; er ist kein Richter, sondern Zeuge.
  10. eine gute Konstitution haben, um sich am Acker, in Kneipen, in der Kirche, in noblen Gasthäusern, im Wald, im Stall, auf staubigen Straßen und auch sonstwo wohl zu fühlen; dazu gehört die Fähigkeit, jederzeit zu essen, zu trinken und zu schlafen.

aus: Roland Girtler (2002): Methoden der Feldforschung. 4., völlig neu überarbeitete Auflage. Böhlau Verlag, Wien, Köln, Weimar

(1.) Eine Feldforschung ist stets allein zu betreiben. Das nimmt dem Forscher die Möglichkeit, sich in die Vertrautheit zu flüchten.

(2.) Man sollte sich als Lernender begreifen und folgende Eigenschaften im Umgang mit fremden Kulturen bewahren: Demut, Bescheidenheit, Neugier und Respekt.

(3.) Der Forscher nimmt Beobachtungen auf und deutet diese. Beobachtung und Deutung lassen sich in der Praxis nicht trennen. Man sollte sich also stets bewusst sein, dass das Festhalten von Beobachtetem schon Interpretation ist.

(4.) Ethnologen sollten nicht belehren. Ein wie auch immer gearteter Reformanspruch steht der Forschung im Weg und zerstört den ethnologischen Standpunkt am weitesten draußen.

(5.) Feldforschung ist vom Zufall abhängig. Die vor der Reise vorgenommene Struktur funktioniert meist nicht. Das Verwerfen des eigenen Planes ist sogar wünschenswert, gelingt es dem Forscher doch erst an diesem Punkt herauszufinden, was die Einheimischen selbst interessiert.

(6.) Alles ist kulturelle Dokumentation. Das heißt, alle Quellen sind von Belang: Erzählungen, Grüße, Plakate und vieles mehr.

(7.) Die Vergangenheit gehört zu einer Kultur dazu. Sie ist zu berücksichtigen.

(8.) Die Sozial- und Kulturanthropologie ist eine verstehende Wissenschaft. Das bedeutet der Bedeutungszusammenhang ist wichtiger als schlichter Positivismus.

(9.) Guten Zugang zu einer fremden Gesellschaft erreicht man nur durch das Zeigen von Interesse und durch angepasste Umgangsformen und Kleidung. Die Person des Forschers ist für die Einheimischen meist wichtiger als sein Projekt.

(10.) Beschriebene Personen und Orte sind zu anonymisieren.