Migration findet im Spannungsfeld ökonomischer, sozialer und politischer Dimensionen statt, das heißt von Angebot und Nachfrage, Netzwerken und Migrationsketten, Rechten und Restriktionen sowie von Erwartungen und Fähigkeiten der Migranten selbst. All dies kann bei der Migration eine Rolle spielen; die verschiedenen methodischen Ansätze unterscheiden sich vor allem darin, welche Bedeutungen sie den einzelnen Dimensionen zuschreiben. Von einer rein ökonomisch motivierten Migration (push- und pull-Faktoren) geht heute kaum noch jemand aus.

Cultures of migration (Klute, Hahn)

aus: Klute, Georg; Hahn, Hans Peter (2007): Cultures of migration. Introduction. In: Dies. (Hg.): Cultures of migration. African perspectives. Münster: Lit. S. 9-27.

Migration, so Klute und Hahn, ist seit langem Teil afrikanischer Realitäten und kann somit nicht als Ausnahmephänomen betrachtet werden. Mit ihrem offenen Kulturbegriff lehnen sie diese sesshafte Perspektive ab:

"To sum up this crucial point: our understanding of culture does not include essentialist no-tions; instead, we perceive culture as an open concept. Cultural representations are not fixed patterns, but are best described as momentous results of interactive processes among people and between them and their surroundings." (S. 14)

Eine adäquate Beschreibung von Migrationsprozessen ist laut Klute und Hahn nur unter Einbeziehung der emischen Perspektive, d.h. der Ziele, Erwartungen und Vorstellungen der Migranten möglich. Desweiteren reicht es nicht, allein die Migranten zu untersuchen. Herkunfts-, Ziel- und die Migrationsgemeinschaft selbst müssten gleichsam Gegenstand der Untersuchung sein.
Es steht infrage, inwiefern Klute und Hahn mit der begrifflichen Bestätigung von Herkunft und Ziel eben selbst an der Konstruktion der Sesshaftigkeit beteiligt sind.

Zirkuläre Arbeitsmigration (Hahn)

aus: Hahn, Hans Peter (2004): Zirkuläre Arbeitsmigration in Westafrika und die „Kultur der Migration“. In: Africa Spectrum 39 (3), S. 381-404.

Zirkuläre Migration (auch return migration) bezeichnet eine „nur vorübergehende, wenn auch oft mehrere Monate oder gar Jahre andauernde Periode der Migration.” (S. 383)

„Nicht die Forderung ‚Follow the Thing“, d.h. angewendet auf die Arbeitsmigration ‚Follow the Migrant‘, ist entscheidend für die Lösung der dringenden Forschungsfragen, sondern die möglichst sorgfältige Wahrnehmung der Einstellungen und Perspektiven der Migranten, aber auch der Zurückgebliebenen. Nützlicher als eine ‚multisited ethnography‘ ist die Perspektive auf die innere Dynamik der lokalen Gesellschaften, der Orte der Herkunft. Dafür ist die langfristige, stationäre Feldforschung unumgänglich.“ (S. 391)
„Migranten leben sowohl in der Gesellschaft ihrer Herkunft als auch in der des Migrationszie-les, sie sind also translokal. Aber die Erforschung beider Orte und des zugehörigen Netzwer-kes reicht nicht aus, um die Akzeptanz der seit Jahrzehnten in Westafrika etablieren Arbeits-migration zu begründen. […] Die in der Migration gewonnenen Erfahrungen werden aner-kannt und können als Grund dafür gesehen werden, dass auch die Zurückbleibenden der Mig-ration zustimmen. Man erwartet, dass die Migranten mit einer neuen Identität zurückkehren, und dass diese dem Ort der Herkunft selbst zugute kommt.“ (S. 397)

Internal Frontier (Kopytoff)

aus: Kopytoff, Igor (1999): The internal frontier: cultural conservatism and ethnic innovation. In: Michael Rösler und Tobias Wendl (Hg.): Frontiers and borderlands. Anthropological perspectives. New York: Peter Lang, S. 31-44.

"What, then, is a frontier? A minimal definition might say that it is an area which, in the one hand, is beyond the control of regional metropoles and, on the other, is weakly enough con-trolled by its present occupants that outsiders from the metropoles can move into it with the realistic hope of achieving an autonomous political existence. The frontier presents to outsiders an ‘institutional vacuum’ that makes it open to the possibility of constructing in it a new society.” (S. 33)

Das Konzept der frontiers wurde zunächt auf die translokale Migration (Amerika, Australien, Kanada) bezogen, später dann auf die lokale Migration in Afrika. Der Begriff beschreibt ein Spannungsfeld aus strukturellem Wandel und kultureller Kontinuität. Beide führen komplementär zur Gründung neuer Gemeinschaften.

Frontiert-Typologie:

  • tidal-frontiers zwischen Staaten: frontiers sind gleichzeitig Grenzen
  • tidal-frontiers zwischen Staaten und Nicht-Staaten: zu einer Seite offener Grenzraum, frontier verschiebt sich nach und nach
  • internal frontier: innerhalb eines Staates
Cultures of travel (Bruijn, van Dijk, van Dijk)

aus: Bruijn, Mirjam de; van Dijk, Han; van Dijk, Rijk (2001): Cultures of travel: Fulbe pastoralists in Mali and Pentacostalism in Ghana. In: Mirjam de Bruijn, Rijk van Dijk und D. Foeken (Hg.): Mobile Africa. Changing patterns of movement in Africa and beyond. Leiden, Boston: Brill, S. 63-88.

Der Begriff der Cultures of travel richtet sich gegen eine sesshafte Perspektive auf Mobilität und damit gegen die Reduzierung auf push- und pull-Faktoren. Mobilität, so die Autoren, ist in cultures of travel Teil des alltäglichen Handelns, der eigenen Identität und Selbstrepräsentation: "Population movements have always been and are still important vehicles for self-promotion, suvival and, in case of the Fulbe, part of their self-definition." (S. 84)

Daily talk is about being mobile, and relations with others are all placed in the perspectives of mobility. In fact we have a mobile culture, a travelling culture. Their hotel lounges and airports, to paraphrase Clifford, are local and regional markets or watering points for the livestock. (S. 72)

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