Elke Mader, Professorin für Sozial- und Kulturanthropologie an der Universität in Wien, veröffentlichte im Jahr 2008 ihr Werk über die Anthropologie der Mythen, das den zu behandelnden Text beinhaltet. Dieser umfasst die Einleitung und das anschließende Kapitel des eben genannten Werkes. Er gibt einige Aspekte der Mythenforschung wider, erläutert die Definitionsproblematik von Mythen und geht schließlich auf ihre unterschiedliche Kategorisierung ein.

Mader beginnt ihre Einleitung mit einer kurz gehaltenen Definition von Mythen, indem sie erklärt, dass es sich hierbei um eine Form von Geschichten handelt, die ein Beispiel narrativer Kultur darstellen. Weiter projiziert die Autorin Inhalte, Verbreitung und Bedeutung von Mythen und macht deutlich, dass das Feld der Mythen komplex und vielschichtig ist. Über einen kurzen Abriss der Geschichte der Mythenforschung kommt Mader zu dem Punkt der Bedeutung der Mythenforschung in der Ethnologie. Hierbei macht sie darauf aufmerksam, dass Mythen zur allgemeinen Theorienbildung der Disziplin beigetragen haben und eine Form von narrativer Kultur ausmachen.

Mader setzt in ihrem Werk einen regionalen Schwerpunkt ihrer Mythenforschung und beleuchtet vor allem die Mythen der Shuar und Achuar im Amazonasgebiet von Ecuador und Peru, die auf eigenen Feldforschungen beruhen.

Das zweite Kapitel behandelt die Definitionsproblematik von Mythen und die Kategorien von narrativen Traditionen und deren Anwendbarkeit auf unterschiedliche kulturelle Kontexte. Dabei werden verschiedene Definitionen und Forschungsdiskurse bezüglich der Mythen untersucht. Problematisch bei den verschiedenen Definitionen von Mythen sind die zahlreichen Perspektiven aus denen Mythen betrachtet werden können. Damit kommt Mader zu der Erkenntnis, dass Mythen polysemische Diskurse sind, „die sich einer eindeutigen bzw. eindimensionalen Definition entziehen“.
Die Autorin hebt daraufhin hervor, dass sie sich mit dem Mythos als Form von Erzählung, die mit vielen Materien des alltäglichen Lebens verbunden ist, beschäftigt.

Des Weiteren behandelt der Text die Einteilung der Erzählungen in analytische und autochthone Kategorien der Gesellschaft. Das analytische Konzept von William Bascon meint das Verständnis von Erzählungen als literarische Gattung, die sowohl Märchen, Mythen als auch Sagen beinhaltet. Bascon hat bei dieser Kategorisierung jedoch keinen universellen Anspruch. Neben diesen europäischen Erzählformen (Sage, Mythen und Märchen) gibt es in anderen Kulturen andere Kategorien. So steht die erst genannte Kategorie der autochthonen Typologie gegenüber, die beispielsweise von Bronislaw Malinowski auf den Trobriand Inseln angewendet wurde. Für diese Typologisierung ist die Funktion der Erzählung von Bedeutung, d.h. welchen sozialen oder religiösen Nutzen diese besitzt. Mader geht zur Verdeutlichung auf das Beispiel der Schuar- Erzähltradition ein und stellt nochmals klar, dass der Terminus Mythos, wie sie ihn verwendet, als Sammelbegriff für Erzählungen, die den europäischen Kategorien von Märchen, Mythen und Sagen verbunden sind verstanden wird und weiter, autochthonen Kategorien der Erzähler zugeordnet werden.

Zusammenfassend kann man sagen, dass der Text dem Leser ein Verständnis für die unterschiedlichen Betrachtungsweisen des Begriffs Mythos vermittelt und dem Leser zudem zu verstehen gibt, dass im Rahmen der Ethnologie eine möglichst offene Definition von Mythen von Vorteil ist, um alle Formen der Erzählungen der verschiedenen Kulturen zu umfassen.

[Textzusammenfassung von H. Gand]

 

Elke Mader – Mythen und Natur

Anhand indianischer Gemeinschaften im Amazonasraum, wurden von verschiedenen Wissenschaftler_innen vier Modelle zur Beschreibung der Beziehungen zwischen Mensch, Natur und Übernatürlichem herausgearbeitet. Dabei geht es um Prinzipien der Konstruktion sozialer Realität und um die Beziehungen zwischen Mensch und Umwelt. Diese Modelle sind miteinander verflochten und kontextuell zu analysieren. Sie sind in polysemen Mythen enthalten und unterliegen vielfältigen Interpretationen.

 

  • Symbolische Ökologie

Die Natur verfügt über eigene spirituelle Kraft (siehe Animismus). In dieses Konzept fließen Vorstellungen über eine beseelte Natur ein. Somit werden Interaktionen und soziale Beziehungen zwischen Mensch und Natur möglich, die sich z.B. in Ritualen äußern. Es besteht somit keine Dichotomie zwischen Natur und Kultur (siehe Claude Lévi-Strauss), sondern ein Beziehungsgefüge. Natürliche Phänomene werden mit menschlichen Attributen versehen, wodurch es zu einer Überschneidung der beiden Sphären kommt.

 

  • Perspektivismus

Vorannahme dass Menschen, Tiere und Geister sich aus unterschiedlichen Perspektiven wahrnehmen und diese Wahrnehmung auf die Art der Interaktion zwischen ihnen Einfluss hat. Es gibt eine perspektivische Qualität des Denkens, die nicht auf andere Lebewesen übertragen werden kann und spezifisch ist. Kern dieses Modells ist die Aussage, dass die Wahrnehmung des Menschen von anderen Wesen nicht der Wahrnehmung dieser Wesen vom Menschen entspricht. Die Perspektiven sind nicht normativ festgelegt, sondern differieren je nach Wesen. Es gibt somit unterschiedliche Formen der Wahrnehmung und Kategorisierung. Der Perspektivismus findet seinen Ausdruck in Mythen, Kosmologien und Ritualen.

 

  • Multinaturalismus

Vorstellung, dass die Seele (der Geist) die gemeinsame Dimension aller Lebewesen ist und man von einer Gleichartigkeit der Seele aller Lebewesen sprechen kann. Das spezifische Charakteristikum der Lebewesen ist ihr Körper, dieser bildet die Differenz zwischen den Wesen und ermöglicht eine Kategorisierung von Subjekten. Die Körper-Geist Dichotomie ist somit nicht statisch und äußert ihre Veränderlichkeit in der Vorstellung transformierter Lebewesen.

 

  • spirituelle Geographie

Die spirituelle Geographie sieht eine enge Verknüpfung von Geist und Macht, bzw. Kraft. Spezifische Teile der beseelten Natur gelten als Machtinstanz, bestimmte Orte und Landschaften werden mit Bedeutung aufgeladen und im Ritual genutzt. Diese Orte gelten dann als Kraftplätze mit besonderer spiritueller Macht und ermöglichen eine intensive Interaktion zwischen Mensch und Natur.

 ( Zusammengefasst von L.Plaumann, Literatur: Mader, Elke 2008: Mythen und Natur, in: Dies.: Anthropologie der Mythen, Wien: Facultas, S. 40-58.)

 

 

 

 

 

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