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„Welches ist der Grundsatz des Rechts und Interesses, der bewirkt, daß in den rückständigen oder archaischen Gesellschaften das empfangene Geschenk obligatorisch erwidert wird? Was liegt in der gegebenen Sache für eine Kraft, die bewirkt, daß der Empfänger sie erwidert?“

(Mauss, Marcel: Die Gabe. Form und Funktion des Austauschs in archaischen Gesellschaften. Suhrkamp, Frankfurt am Main, 1990, S.13.)

„Schließlich durchdringt […] das System des Gabentauschs das gesamte wirtschaftliche und soziale Leben der Trobriander. […] Es wird gleichsam von einem kontinuierlichen, nach allen Richtungen fließenden Strom durchflutet; einem Strom aus Gaben, die obligatorisch und aus Eigennutz, aus dem Streben nach Größe und als Entgelt für Dienste, als Herausforderung oder als Pfand gegeben, empfangen und erwidert werden.“

(MAUSS, Marcel (1990): Die Gabe- Form und Funktion des Austauschs in archaischen Gesellschaften. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, Seite: 70.)

„Die etwas kindliche juristische Sprache der Trobriander hat die unterscheidenden Namen für alle möglichen Arten von Leistungen und Gegenleistungen vervielfacht: je nach dem Namen der vergoltenen Leistung, der gegebenen Sache, der Umstände etc. [...] Man kann sich kaum vorstellen, wie sehr dieses Vokabular durch eine merkwürdige Unfähigkeit zur Abstraktion und durch ein seltsames Raffinement in der Nomenklatur kompliziert worden ist.“

(Mauss, Marcel 2009 (1968): Die Gabe. Form und Funktion des Austauschs in archaischen Gesellschaften. 8. [Aufl.]. Frankfurt am Main: Suhrkamp (Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft, 743). S. 72 f.)

„Das materielle und moralische Leben sowie der Austausch funktionieren hier in einer uneigennützigen und zugleich obligatorischen Form. Zudem kommt dieser Zwang auf mythische, imaginäre und, wenn man will, symbolische und kollektive Weise zum Ausdruck; er nimmt die Form des den Tauschobjekten geschenkten Interesses an: diese sind von den Tauschenden nie vollständig losgelöst und die Gemeinschaft und Verbindung, die sie herstellen, fast unzerstörbar.“

(Mauss, Marcel. 1968. Die Gabe. Aus dem Französischen übersetzt von Eva Moldenhauer. Frankfurt am Main: Suhrkamp. S.77)

„In Wirklichkeit bringt dieses Symbol des sozialen Lebens – der permanente Einfluß der ausgetauschten Dinge – nichts anderes zum Ausdruck als die Art und Weise, wie die Untergruppen dieser segmentierten Gesellschaften archaischen Typs ständig ineinandergreifen und fühlen, daß sie einander alles schulden.“

(Mauss, Marcel: Die Gabe. Form und Funktion des Austauschs in archaischen Gesellschaften. Frankfurt am Main 1990. S. 77)

„[…] Derjenige, der seinen Reichtum am verschwenderischsten ausgibt, gewinnt an Prestige. Allesgründet auf dem Prinzip des Antagonismus und der Rivalität. Der politische Status der Individuen in den Bruderschaften und Clans sowie überhaupt jede Art von Rängen wird durch den „Eigentumskrieg“ erworben (…) alles wird so begriffen, als handle es sich um einen „Eigentumskrieg“. Die Heiraten der Kinder, die Rangstufen, in den Bruderschaften werden einzig im Rahmen des Potlatschs und Gegen-Potlatschs bestimmt. […]“

(Marcel Mauss, Die Gabe. Form und Funktion des Austauschs in archaischen Gesellschaften: „Ehre und Kredit (Nordwestamerika)“ S. 84/85, Hg. Marcel Mauss, Erste Auflage, (Frankfurt am Main: Suhrkamp Taschenbuch Verlag, 1968,1990))

„Der Potlatsch – die Verteilung von Gütern – ist der grundlegende Akt der militärischen, juristischen, wirtschaftlichen, religiösen >>Erkenntlichkeit<<, in allen Bedeutungen des Wortes.“

(Mauss, Marcel (1950): Die Gabe, Form und Funktion des Austausches in archaischen Gesellschaften; Frankfurt a.M.: Suhrkamp; P. 97)

„Sie berechtigen uns zu der Auffassung, dass das Prinzip des Geschenktauschs für jene Gesellschaften charakteristisch gewesen sein muß, welche die Phase der „totalen Leistung“ hinter sich gelassen haben (eine Leistung von Clan zu Clan und Familie zu Familie), jedoch noch nicht das Stadium des reinen Individualvertrags, des Geldmarktes, des eigentlichen Verkaufs erreicht haben und vor allem nicht zum Begriff des festen Preises und des gewogenen und gemünzten Geldes gelangt sind.“

(Mauss, Marcel: Die Gabe, Frankfurt am Main 1990 (Erstauflage: Paris 1950), S. 119.)

„Man kann sagen, dass heute ein großer Teil des industriellen und kommerziellen Rechts mit der Moral in Konflikt steht.“

(Mauss, Marcel: Die Gabe, Form und Funktion des Austauschs in archaischen Gesellschaften; Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main 1990, 1.Auflage. S. 159)

„Das System, das wir das System der totalen Leistungen zu nennen vorschlagen [] bildet die älteste Wirtschafts- und Rechtsordnung, die wir kennen und uns vorstellen können. Es ist die Basis, auf der sich die Moral des Geschenkaustauschs erhebt. Und das gerade ist der Typus, auf den wir unsere eigenen Gesellschaften - nach ihren eigenen Verhältnissen - gerne würden zusteuern sehen.“

(Mauss, Marcel (1990): Die Gabe [Original: Essai sur le don (1950)|Original: Essai sur le don (1950)]. Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft 743, 1. Auflage 1990. S.164, 1. Absatz)

„Es handelt sich also um mehr als nur um Motive oder institutionelle Elemente, um mehr als komplexe Institutionen, sogar um mehr als Systeme von Institutionen, unterteilt in Religion, Recht, Wirtschaft, etc. Wir haben es mit »Ganzheiten« zu tun, mit gesellschaftlichen Systemen in ihrer Gesamtheit.“

(Mauss, Marcel 1950: Die Gabe. Form und Funktion des Austauschs in archaischen Gesellschaften. Frankfurt am Main. Suhrkamp. S. 177.)

„Wir haben es mit »Ganzheiten« zu tun, mit gesellschaftlichen Systemen in ihrer Gesamtheit. Wir haben Gesellschaften in ihrer Dynamik gesehen. Wir haben sie nicht beschrieben, als seien sie versteinert, in einem statischen oder skelettartigen Zustand, und noch weniger haben wir sie seziert, in Rechtsvorschriften, Mythen, Werte usw. zerlegt. Nur indem wir sie als Ganzheiten untersuchten, konnten wir ihr Wesen aufspüren, ihren Prozeß und ihren lebendigen Aspekt, den flüchtigen Augenblick fassen, da die Gesellschaft und ihre Mitglieder ein gefühlsmäßiges Bewußtsein ihrer selbst und ihrer Situation gegenüber den anderen erlangt.“

(Mauss, Marcel: Die Gabe. Form und Funktion des Austauschs in archaischen Gesellschaften. Mit einem Vorwort von E. E. Evans-Pritchard. Übersetzt von Eva Moldenhauer. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 1990, S. 177 f.)

"Das Gegebene ist Rom oder Athen oder der durchschnittliche Franzose, der Melanesier dieser oder jener Insel, nicht aber das Gebet oder das Recht als solche.“

(Mauss, Marcel (1990): Die Gabe. Form und Funktion des Austauschs in archaischen Gesellschaften. Übersetzt von Eva Moldenhauer. Suhrkamp, Frankfurt am Main. S. 178)

„Durch Untersuchungen dieser Art können wir die verschiedenen ästhetischen, moralischen, religiösen und wirtschaftlichen Triebfedern aufspüren und abschätzen, die materiellen und demographischen Faktoren, deren Gesamtheit die Basis der Gesellschaft ist und das Gemeinwesen konstituiert und deren bewusste Lenkung die höchste Kunst darstellt, ‘Politik‘ im sokratischen Sinn des Wortes.“

(Mauss, Marcel 1990 (1950): Die Gabe. Form und Funktion des Austauschs in archaischen Gesellschaften, Frankfurt a. M. : Suhrkamp Taschenbuch, S. 182-183.)

Kommentar

  1. Kai Richarz sagt:

    Im 2. Zitat wird dem Gabentausch Eigennutz zugeschrieben, im 4. jedoch Uneigennützigkeit?