Als Stamm wurde früher im Allgemeinen ein Aggregat von Menschen am selben Ort mit gemeinsamer Abstammung, gemeinsamen Sitten und Gebräuchen bezeichnet. In der heutigen Ethnologie wird diese Definition kritisiert. Die Sitten, Gebräuche und die Sprache müssen nicht bestimmendes Merkmal eines gemeinsamen Stammes sein. Die Paschtunen beispielsweise leben in verschiedenen Gebieten Afghanistans mal pastoral, mal lokalwirtschaftlich. Die Lebensweise der Chiefs muss nicht identisch mit der der übrigen Mitglieder eines Stammes sein. Tribale Gesellschaften können in einem unterschiedlichen Verhältnis zu nicht-tribalen Gesellschaften stehen. Einziges Stammesidentifikationsmerkmal kann auch die gemeinsame Gefolgschaft sein (vgl. hierarchische Arbeitsteilung). Die Vorstellung, tribale Gesellschaften seien durch ihr Leben am gleichen Ort definiert, ist nichts anderes als die Projektion des nationalstaatlichen Gedankens auf indigene Kulturen.

Stattdessen gilt ein Stamm als Ordnungssystem der gemeinsamen Abstammung, in dem die soziale Verortung durch den Bezug zu den Vorfahren vonstatten geht. Die Abstammung wird nicht nur biologistisch begründet, die Zurechnung zu einer Abstammungsgruppe kann auch durch Blutsbrüderschaft oder durch Allianzen vonstatten gehen. Der Begriff umfasst also keine biologische, sondern eine politische Ordnung.

Auch wenn die Erscheinungsform tribaler Gesellschaften sehr variabel ist, können einige häufige Eigenschaften festgehalten werden: die wichtigste Grundlage der Subsistenz bilden domestizierte Tiere oder kultivierte Pflanzen, die als Eigentum der in eigenen Häusern lebenden Familien betrachtet werden. Die Basisressourcen wie Wasser und Land gehören dem Stamm. Sie unterliegen dem kommunalen Nutzrecht. Tribale Gesellschaften befinden sich allesamt auf dem Gebiet von Nationalstaaten - das zivile Recht wird allerdings häufig nicht anerkannt, da Werte von Autonomie in tribalen Gesellschaften zentral sind. Werden Stammesgesellschaften gezwungen, staatliche Rechtsinstitutionen anzuerkennen, so mögen sie diesen vorerst folgen, fallen aber bei nachlassendem Druck augenblicklich in ihre alten Gewohnheiten zurück.

Wirtschaftsweise

Die Wirtschaftsweise der tribalen Gesellschaften ist durch delayed return gekennzeichnet, das heißt, dass zwischen Arbeit und Ertrag, ein längerer Zeitraum liegt. Anders als bei Jäger-und-Sammler-Gesellschaften konstituieren sich hier differenzierte soziale Beziehungen, Abhängigkeiten und Kooperationen, was aber nicht mit Lohn- oder Sklavenarbeit gleichzusetzen ist. In der Landwirtschaft zum Beispiel müssen innerfamiliäre oder interfamiliäre Gruppen zusammenarbeiten, um Bewässerungssysteme einzurichten, Nutzungsrechte abzusichern, die Ernte einzufahren oder Grund und Boden zu beschützen. Diese Arbeitsteilung geht einher mit einer generellen Ungleichheit und Ausdifferenzierung des sozialen Status der Menschen und des Spezialwissens. Das Land wird als Instrument für einen ausgedehnten Produktionsprozess betrachtet. Durch die Produktion von Überschuss kommt es zu einem Tauschhandel.

Die Einteilung in delayed und immediate return ist nicht absolut zu betrachten. In der einen Wirtschaftsweise lassen sich meist Sektoren der anderen finden. Sie sind also keine Dichotomien, sondern können gemeinsam in einem differenzierten System vorkommen. Die Tendenz hin zu einem der beiden Arten des Wirtschaftens kann allerdings Rückschlüsse auf die soziale Organisation zulassen. So ist in tribalen Gesellschaften mit delayed return häufig eine generalisierte Struktur der Verwandtschaft anzutreffen.

Eine bei tribalen Gesellschaften mögliche Wirtschaftsweise wird als Schwendbau bezeichnet. Hier wird der Wald, meist auf einem Hügel gelegen, gerodet, um Pflanzen zu kultivieren. Zentrales Arbeitsgerät ist anders als bei den im Tal arbeitenden bäuerlichen Stämmen nicht der Pflug, sondern die Hacke. Häufig liegen die Felder zwischen der Bestellung einige Monate brach. Die tribalen Schwendbauern stehen gewissermaßen zwischen der Mobilität der Hirten und dem Bauerntum.

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