Definition

Das Bakterium Campylobacter spp. ist der Erreger verschiedener Krankheiten bei Mensch und Tier. Zu beachten sind die Melde- und Anzeigepflicht, je nach Spezies.

Zusammenfassung und wichtige Kennzeichen
  • Ätiologie: verschiedene Campylobacterspezies relevant: C.fetus sspp, C.jejuni, C. coli, davon auch bestimmte für den Menschen relevant
  • Morphologie und Differenzierung: gram-negative kokkoide Stäbchenbakterien, beweglich, keine Hämolyse, Oxidase-positiv, Hippurathydrolyse, bestimmten Medien, z.B. Preston, empfindlich ggü. Umwelteinflüssen
  • Virulenzfaktoren: Geißel, LPS, OMPs, Endotoxine
  • Epidemiologie: v.a. oral, Vektoren spielen eine Rolle
  • Pathogenese: s. einzelne Spezies
  • Klinik: Affinität zu Genital- oder Gastrointestinaltrakt
  • Diganose: s. einzelne Spezies
  • Differentialdiagnosen: s. einzelne Spezies
  • Therapie: Penicilline
  • Prophylaxe: vor allem Hygienemaßnahmen, insbesondere im Küchenbereich

Inhaltsverzeichnis

Ätiologie

Es gibt diverse Spezies und Serovare, die bei verschiedenen Tierarten und dem Menschen unterschiedliche Krankheiten verursachen. Zudem gibt es Kommensale auf Schleimhäuten in Mund und Rachen.

    • C. fetus ssp. venerealis (anzeigepflichtig)

    • C. fetus ssp. fetus (meldepflichtig)
    • C. jejuni (meldepflichtig)
    • C. coli (meldepflichtig)

Morphologie und Differenzierung

  • kokkoide Stäbchenbakterien
  • gram-negativ
  • nicht sporenbildend
  • meist "S-Form"
  • uni- oder bipolar
  • monotrich begeißelt → Fortbewegung in schraubigen Bewegungen
  • Kultur: komplexe Medien z.B. Preston-Agar (hemmt Begleitflora des Darms, fördert dadurch Wachstum)

  • keine Hämolyse
  • Oxidase-positiv
  • Katalase-positiv (VL)/ Katalase-variabel (Buch)
  • Hippurathydrolyse
  • thermophile Campylobacter (C. jejuni, C. coli, C. lari, C. upsaliensis) wachsen auch bei 42°C →Selektionsvorteil!

  • mikroaerophile/kapnophile Bebrütung über 1-3 Tage bei 30-37°C

  • empfindlich ggü. Umwelteinflüssen

  • im Erdboden bis zu 20 Tagen infektiös

  • VBNC-Stadium: bei erschwerten Umwelteinflüssen, Zustand vermehrungsfähig, aber in vitro nicht mehr anzüchtbar

Virulenzfaktoren

  • Geißel: Beweglichkeit, Adhärenz
  • LPS: Adhärenz, Endotoxin, proinflammatorisch, immunmodulierend, LOS: molekulare Mimikry
  • OMPs: Adhärenz
  • Toxine:
    • Enterotoxin: Choleratoxin-ähnlich
    • Zytotoxin: hitzelabil, Trypsin-sensitiv, proinflammatorisch
    • Weitere Toxine: hämolytisch, hepatotoxisch

Campylobacter ssp.

Die verschiedenen Campylobacter- Spezies werden im Folgenden einzeln behandelt.

Campylobacter fetus ssp. venerealis- Enzootischer Campylobacterabort des Rindes

Anzeigepflicht!

Ätiologie und Epidemiologie:

  • seuchenhafte Aborte und Fruchtbarkeitsstörungen
  • C. fetus ssp. venerealis → Reservoir Rind
  • Besiedlung der Genitalschleimhäute der Rinder 
    • lebenslang in Präputialschleimhaut des Bullen (Ansteckung über Deckakt, künstliche Vagina, Phantom)
    • durch Deckakt auf Kuh übertragbar, auf Vaginalschleimhaut mehrere Monate überlebensfähig, nach Elimination aber 2-3 Jahre Immunität
  • kommt in Deutschland kaum mehr vor

Pathogenese und Klinik:

  • beim Bullen inapparent
  • bei Kuh aufsteigende Infektionen →Endometritis→fehlerhafte Implantation der Eizelle oder Resorption des Embryos
  • Umrindern bei Färsen
  • Aborte in verschiedenen Trächtigkeitsstadien
  • weibliche Tiere können auch asymptomatische Carrier sein

Diagnose und Differentialdiagnosen:

  • kultureller Erregernachweis aus Plazenta oder Mageninhalt von abortierten Feten
  • Dunkelfeld- oder Phasenkontrastmikroskopie
  • IFT, ELISA
  • Differentialdiagnosen: Neosporose, BHV, BVD, Brucellose, Salmonellose, Leptospirose, Chlamydiose, Coxiellen, Trichomonose

Bekämpfung:

  • nach Rinder-DeckinfektionenVO
    • Überwachung von Zuchttieren
    • Beseitigung von positivem oder verdächtigen Sperma
    • Ausschluss von verdächtigen Tieren zur Zucht
  • Antibiose:
    • Penicillin, Streptomycin
    • Gentamycin, Tetrazyklin, Erythromycin, Neomycin

Campylobacter fetus ssp fetus / C. jejuni - Enzootischer Campylobacter - Abort des Schafes

Meldepflicht!

Ätiologie und Epidemiologie:

  • hohe Anpassung an das Schaf, seuchenhafte Erkrankungen
  • Frühgeburten bei Großteil der Herde
  • Reservoir GIT
  • orale Infektion über Kot, Vaginalausfluss, Abortmaterial

Pathogenese und Klinik:

  • über Darmschranke in Blutkreislauf
  • Ansiedlung in Uterus und anderen Organen
    • Entzündung der Kotyledonen, Minderversorgung des Fetus, Abort
    • Aborte meist in letztem Trächtigkeitsdrittel oder Geburt lebensschwacher Lämmer 
    • nach Infektion mehrjährige Immunität

Diagnose und Differentiladiagnosen:

  • siehe C. fetus ssp. venerealis
  • DD: Listeriose, Toxoplasmose, Coxiellose, Salmonellose

Therapie:

  • Penicillin und Streptomycin, gerne auch als fixe Kombi (Pen/Strep)
  • in USA auch Vakzine

Campylobacter jejuni; C. coli

Meldepflicht bei Wdk, Hund, Katze

Epidemiologie:

  • Obligat wirtsständig
  • Kommensalen des Intestinaltraktes von Tieren (LM-liefernd, Haustiere)
  • Reservoir: Geflügel (Caecum); Rd, Schw, Hd, Ktz…
  • C. jejuni ist momentan häufigster bakterieller Durchfallerreger in Deutschland
    • Insgesamt >70.000 Erkrankungen in Dtl


  • Einschleppung über inapparent infizierte Tiere, sowie unbelebte und belebte Vektoren
  • Ausbreitung im Bestand fäkal-oral
  • Über fertiges Lebensmittel (z.B.) Geflügelfleisch Infektion des Menschen

Klinik:

  • Geflügel
    • i.d.R. symptomlose Besiedlung & Ausscheidung;
    • Selten Enteritiden, z.T. diarrhöischen Enterocolitiden
  • Säugetiere
    • i.d.R. inapparent
    • Selten: Aborte (Schaf, Ziege)
    • Enteritis (Rd; Hd, Ktz)
  • Mensch:
    • C.jejuni ist Zoonose
    • Infektionsquellen: 
      • Wildtiere (Vögel) Nutztiere (Geflügel, Rinder, Schweine) Haustiere (Hunde, Katzen)
      • Oberflächenwasser
      • Lebensmittel
        • Keine Anreicherung im LM, aber dennoch vorhanden
      • Mindestinfektionsdosis:  >500 Keime
    • Klinik:
      • IKZ 4-8 Tage
      • 3 Krankheitsformen:
        • klinisch inapparent
        • Akute Enteritis (1 Wo)
          • Bauchschmerz, Diarrhoe (z.T. hämorrhagisch)
          • Fieber
          • i.d.R. selbst-limitierend
          • Ausscheidung noch bis 3 Wochen p.i.
        • chronisch/protrahierter Verlauf
          • nur bei Abwehrschwäche
        • Komplikationen (1-2 Wochen nach Diarrhö):
          • Bakteriämie (<1% jejuni)
          • Septischer Abort
          • Reaktive Arthritis
          • isolierte Facialisparese
          • Reiter-Syndrom
          • GBS


  • Guillian-Barré-Syndrom = GBS
    • = postinfektiös auftretende Polyneuritis mit multifokaler Demyelinisierung
    • Tage / Wochen nach einer Infektion
    • Pathogenese ungeklärt, mglw. autoimmun
    • Symptome
      • Kribbeln in Gliedmaßen
      • Schwäche, Empfindungsstörungen
      • Lähmungserscheinungen in Beinen & Armen mit Neigung zur Generalisierung
      • Facialis-, Schlund-, Augenmuskelparesen
      • Ataxien
      • Herzrhythmusstörungen
      • Atemlähmung: dann intensivmedizinische Betreuung, Beatmung
      • Häufigste Ursache generalisierter Lähmungen
    • Folgen 
      • 70%: spontane Rückbildung innerhalb 1 Jahres (Myelinschäden nicht mehr reparabel)
      • 30% bleibende Schäden
      • 2-8% Letalität
            • Therapie
              • Plasmapherese (Plasmaaustausch zur Entfernung pathogener Blutbestandteile)
              • Ig-Gabe
              • Symptomatisch

Prophylaxe

  • 80% der Campylobacter-Infektionen in Deutschland werden im Küchenbereich und durch kontaminierte Lebensmittel übertragen
  • oft Infektion durch nicht gut genug gereinigtes Material
  • Prävention:
    • keine rohen Lebensmittel (Milch, Fleisch, Wurst) verzehren
    • auf gut gereinigtes Material achten z.B. erst Salat vor Fleisch auf gleichem Brett schneiden
    • regelmäßiges Händewaschen mit Seife nach:
      • Toilettenbesuch
      • Tierkontakten
      • Gartenarbeiten
      • vor jeder Essenszubereitung
      • sorgfältiger Umgang mit Auftauwasser → Campylobacter ist thermophil, kann daher auch in der Plastiktüte nach dem Auftauen überleben

Literatur/Weblinks

  • Selbitz, H; Truyen, U; Valentin-Weigand, P: Hrsg. (2015): Tiermedizinische Mikrobiologie, Infektions- und Seuchenlehre,10. aktualisierte Auflage, Stuttgart: Enke Verlag
  • Offizielle Vorlesungsunterlagen Institut für Mikrobiologie FU Berlin
  • Skript der Skripten-AG "Spezielle Mikrobiologie 2019"