Hier werden die Textentwürfe zu den einzelnen Stationen gesammelt.
| Station 1
| Station 2 Das Olympiagelände – schon immer ein Ort des Sports?
Wo sind wir?
Wir stehen jetzt vor dem Olympiastadion und machen uns gleich auf den Weg tiefer in das Gelände hinein und damit auch in die (bewegte) Geschichte des Geländes. Heute ist das Gelände ein Ort des Sports und wird auch für Veranstaltungen und Bildung genutzt. Sport wurde hier schon vor über hundert Jahren gemacht. Doch von Beginn an war das nicht der einzige Zweck und die Entstehung und Nutzung des Geländes war auch von bestimmten politischen Zielen beeinflusst. Wie wurde das Gelände früher genutzt und wie beeinflusste Politik und Ideologie die Gestaltung und Nutzung? Spuren davon sind bis heute hier überall sichtbar – an den Gebäuden, den Skulpturen, aber sogar auch an der Landschaft und dem Straßennetz Berlins. Erkunde sie mit uns!
Olympia-Stadion
Die Idee für ein Stadion auf dem Gelände entstand zu Beginn des 20. Jahrhunderts inspiriert von den olympischen Zwischenspielen 1906 in Athen. Zuvor befand sich auf dem Gelände eine Pferderennbahn. Unter Kaiser Wilhelm II. sollte das Gelände für Sport und Freizeit der Bevölkerung genutzt werden. Neben freizeitlichen Zwecken wurde auch die Ausrichtung von sogenannten „deutschnationalen“ olympischen Spielen angestrebt. Es wurden also politische und ideologische Ziele mit der Gestaltung des Geländes verbunden.
Werfen wir nochmal einen letzten Blick auf das Stadion. Das erste „Deutsche Stadion“ sollte bereits für Olympia 1912 oder 1916 erbaut werden. Das Stadion, das wir heute sehen können, steht am selben Platz wie das ursprüngliche „deutsche Stadion“, das 1913 von Kaiser Wilhelm II. eröffnet wurde. Der Architekt Otto March befürwortete eine „nationale“ Architektur und Baukunst, wobei er auch antidemokratische und antisemitische Schriften zum Vorbild hatte. Doch wo wird die Verbindung von völkischer/nationalistischer Ideologie bei der Planung und Gestaltung des Geländes sichtbar?
Verbindung von Landschaftsgestaltung und Verkehrskonzept mit Ideologie
Zum einen in der Architektur der Gebäude und des Stadions. Aber auch wenn wir uns jetzt langsam vom Stadion verabschieden und nach rechts weiter in den Olympia-Park hinein gehen, können wir Elemente erkennen. Indem wir beispielsweise auf die Landschaft achten: Bereits für die Pläne für Olympia 1916 wurde die Landschaft, der märkische Kiefernwald und die Eiche, als explizit „deutsches“ Vorzeige-Merkmal der Natur berücksichtigt. Die Verehrung der Nation als etwas „Heiliges und Ursprüngliches“ war ein zentrales Element der Planungen für das Olympia-Gelände. Das Gelände wurde stetig an neuen Anforderungen angepasst und erweitert. Aber auch das spätere Konzept von Werner March 1926 war von einer „monumentale[n] Architektur und freier Landschaft aus dem Geist der jungen deutschen Sportbewegung“ geleitet. Sport, Architektur und Landschaftsgestaltung kamen also aus einem durchdachten Konzept, das von politischer Ideologie geprägt war. 1931 bekam Berlin den Zuschlag für die olympischen Spiele 1936. Als die Nationalsozialisten 1933 an die Macht kamen, erkannten sie die Spiele als Mittel der politischen Propaganda im Aus- und Inland und wollten das Gelände dafür umgestalten. Die Architektur sollte beeindrucken und überwältigen. Das stand im Licht der Überzeugung Hitlers, dass sich politische und nationale Stärke auch in der Bauweise und Architektur manifestieren müssten. Neben Sport-Veranstaltungen kam nun noch der Anspruch hinzu, politische Großveranstaltungen auf dem Gelände auszurichten.
Bei der Planung durch Werner March galt der Anspruch, das Gesamtkonzept mit der ursprünglichen märkischen Landschaft zu verbinden, was dem Architekten von Beginn an wichtig war. Die Landschaft beschrieb er als „zart“, und berührt und schön und wollte sie nicht mit zu schweren Bauten belasten.
Wie eng Sport und Krieg in der nationalsozialistischen Ideologie verknüpft waren, zeigt sich an den Plänen für Ausbildungsstätten für die SA auf dem Olympia-Gelände. Diese wurden allerdings nicht umgesetzt und sind daher für uns heute im Olympiapark nicht sichtbar.
Neben dem Landschaftskonzept und der Architektur waren auch die Planungen für die Verkehrswege in das optische Gesamtkonzept eingebettet. Der Stadtbaurat von Berlin teilte die Stadt dafür in sieben „Aufmarschbezirke“ ein, aus welchen die Menschenmassen zum Aufmarschgelände strömen sollten. Diese Planungen waren in ein größeres Straßenbauprogramm integriert, welches sieben strahlenförmige Zufahrtsstraßen vorsah; unter anderem eine Anmarschstraße – angelehnt an eine römische via triumphalis - aus der Stadtmitte (Lustgarten) vorsah, auf der auch der Träger des olympischen Feuers 1936 zum Stadion lief.
Wie wurde das Gelände nach 1945 genutzt?
Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es zunächst einen Bruch in der Nutzung des Geländes: von 1952 – 1994 wurde der hintere Teil von de britischen Streitkräften genutzt (britisches Hauptquartier) und war nicht öffentlich zugänglich bis 1974. Daran erinnert heute ein Gedenkstein auf dem Adlerplatz.
Am 12. Mai 1949 wurde das vordere Gelände wieder an West-Berlin übergeben und schrittweise wieder aufgebaut und erhalten. Bald fanden wieder Großveranstaltungen wir Konzerte, Kirchentage, Polizeisportfeste statt. Diese Veranstaltungen sollten auch die deutsche Einheit symbolisieren. Ab 1962 wurde das Gelände das Zentrum von Hertha BSC als Trainingsgelände genutzt. Für Auswahlspiele für den FIFA World-Cup 1974 wurde das Stadion zu einem modernen Stadion erneuert und ausgebaut.
Im wiedervereinigten Deutschland/Berlin wurde über die Möglichkeit diskutiert, Olympia 2000 auf dem Gelände auszurichten. 1993 bewarb sich die Stadt um die Ausrichtung der Spiele. Gegen die Ausrichtung richtete sich aber auch gesellschaftlicher Protest. Die Spiele wurden schließlich nicht an Berlin vergeben. Große Sportereignisse wie Olympia haben nach wie vor einen großen bleibenden Einfluss auf die ausrichtende Stadt. (Johnson, S.691-692) Gegner der Olympischen Spiele 2000 in Berlin fürchteten einen negativen Einfluss der Spiele auf die Gestaltung des öffentlichen Raums in der Stadt.
Heute: Erneute Diskussion über Olympia 2036?
| Station 3
inclusive Anmerkungen, tabellarischem Entwurf & Kommentaren: https://docs.google.com/document/d/1sWMPxexuMCGf7aosGSdBO0DeyqeUBXAp5OThGSxm29o/edit?usp=sharing
hier der aktuelle Stand (28.06.2023, 10:00):
\\Weganweisung bis Station 3
Folge dem Gutmuthsweg weiter bis er die Friedrich-Friesen-Allee kreuzt.
Bevor du dir das nächste Audio anhörtst, kannst du dir gerne Zeit nehmen, die Kreuzung zu erkunden. Findest du Spuren der Geschichte des Olympia-Parks?
\\@Mauer/Pfeiler (2787 Zeichen ~ 03:30 min)
Schau, von wo du hier her gekommen bist. Da ist der von Bäumen gesäumte Weg zum Olympia-Stadion.
Dreh dich um. Rechter Hand siehst du jetzt das Gebäude. Es ist eine große Turnhalle, die hier schon seit 1928 steht. Sie war Teil der Deutschen Hochschule für Leibesübungen, einer Ausbildungsstätte für Sportlehrer*innen.
Auf der anderen Seite steht eine Mauer. Die wurde bei dem Ausbau des Geländes für die Olympischen Spiele 1936 gebaut. Auf der kurzen Seite, in Richtung Olympia-Stadion, prangt ein in Stein gemeißelter Adler über einem Kranz – Teile des nationalsozialistischen Staatswappens, das ab der Machtübernahme 1933 verwendet wurde. Es zeigte den sogenannten “Reichsadler” und das in einen Eichenkranz eingefasste Parteizeichen der NSDAP: Ein Hakenkreuz.
1945 wurde es im Zuge der Entnazifizierung entfernt.
Dass das Parteizeichen der Nationalsozialisten Teil des staatlichen Hoheitszeichens wurde, zeigt, wie offensiv ideologische Symbolik in die Öffentlichkeit getragen wurden. Hier im Olympia Park verweist es auf die politische Aufladung des Geländes. Die Olympischen Spiele 1936 boten die Möglichkeit der Präsentation des nationalsozialistischen Deutschlands gegenüber internationalen Gästen.
Für die Gestaltung des Geländes wurde #?# neben einem Architekturwettbewerb auch ein Kunstwettbewerb ausgeschrieben. Aus #?# Einreichungen wurden #?# Kunstwerke ausgewählt. Hauptsächlich handelt es sich um Skulpturen. Viele davon stehen noch heute dort, wo sie 1936 platziert wurden.
So auch die Skulptur auf der breiteren Seite der Mauer. Sie zeigt zwei über lebensgroße, nackte Männer. Beide haben dieselbe Haltung: aufrecht gehend, auf dem rechten Fuß vorn, die muskulären Oberkörper repräsentativ stolz in Richtung Betrachter:in gerichtet. Die Darstellungsweise sowie der Diskus in der Hand der vorderen Figur und das Tuch über der Schulter der hinteren Figur sind Anlehnungen an antike Körperdarstellungen. Sie folgen einer naturalistischen und idealistischen Ästhetik. Der Blick der Figuren ist in die Weite gerichtet.
Tritt man ein paar Schritte zurück, fällt auf, dass ihre Köpfe bis knapp unter die Stelle reichen, wo früher das Hakenkreuz hing. Die Skulptur trägt den Titel: “Die Kameraden”. Nicht zuletzt damit wird deutlich, wie eng Sport mit Militarismus verknüpft war.
Seit 1945 ist das Hakenkreuz weg. Die Alliierten schoben damals mit der sogenannten Entnazifizierung die Befreiung von Einflüssen des Nationalsozialismus an. Besonders belastete Personen wurden abgesetzt und verurteilt, nationalsozialistische Schriften, Gesetze und Symbole verboten. Überall wurden die Hakenkreuze aus Fassaden gemeißelt. Auch im Olympiapark. Hier wurden Reichsadler, Eichenkranz und “die Kameraden” jedoch nicht entfernt. Ist diese Mauer damit tatsächlich ‘entnazifiziert’?
\\Wegbeschreibung bis Sgrafitto
Wir möchten dir noch ein weiteres Werk zeigen, das bei dem Kunstwettbewerb 1936 ausgewählt und umgesetzt wurde. Dafür wende dich von der Mauer ab und folge der Friedrich-Friesen-Allee bis zur Eingangstür in den langen Gebäudeflügel, der an die große Turnhalle anschließt.
\\@Sgrafitto (5672 Zeichen ~ 07:00 min)
Der Eingang ist tagsüber immer offen, aber nicht barrierefrei. Es gibt Stufen. Falls du nicht in das Gebäude hineinkommst, kannst du dir die Fotos in der Galerie dieser Station anschauen.
Betritt man das Gebäude, so sind die eingeritzten Wandsgraffitos sehr schnell sichtbar. Abgebildet sind Männer, die Leibesübungen wie Bogenschießen ausführen und dabei nackt sind. Die Körperbilder erinnern stark an Skulpturen oder Malereien aus der Antike, die Männer haben alle einen trainierten Körper und die Genitalien sind klar sichtbar. Die Abgebildeten haben allesamt ein “nordisches” Aussehen. Des Weiteren bedienten sich die Nationalsozialisten eines Gedichts des deutschen Literaturwissenschaftlers Friedrich Theodor Vischer (* 30.06.1807, † 14.09.1887) namens “An die Empfindsamen". Dabei wurde das Gedicht allerdings verkürzt dargestellt und nur der Teil gezeigt, in dem es um die Kraft als Mittel zur Lösung geht. Dabei wird vor allem die Aufopferung für den höheren Zweck (also Krieg, Nation, Volk) betont und die sogenannte “Weichheit”(im Sinne des Auslassens) als Defizit dargestellt. Zudem ist ein starker Bezug zum Militär gegeben, denn im “Kampf” könne man aus der Kraft schöpfen. Der stählerne Körper ist schlussendlich zum Kämpfen für die Nation, für die Ideologie da, der Sport ist mittel zum Zweck, um ihn fit, trainiert und einsatzfähig zu halten.
Wie ist mit solchen Gravuren umzugehen?
Zunächst zum historischen Kontext: Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war die Rassenhygiene, basierend auf den Theorien des Sozialdarwinismus, nicht nur in Deutschland bekannt, sondern auch international wurden Sterilisierungsgesetze erlassen und durchgeführt (Graf; Schiefender, 2020). Die Nationalsozialisten hatten das Ziel “erbgesunde” Menschen für den sogenannten “Volkskörper” zu erziehen, dabei wurde die Eugenik negativ eingesetzt und Menschen mit Behinderungen oder beispielsweise psychischen Erkrankungen systematisch ausgelöscht. Der “Volkskörper” sollte neugestaltet werden, dabei waren das griechische Schönheitsideal der Antike, aber auch andere mythische Vorbilder die Prototypen der “Arier”, der als großer, blauäugiger, junger Mann illustriert wurde (Diehl, 2006). So symbolisierte der “krisenfeste arische” Körper Reinheit, Schönheit und Gesundheit, dies war gleichbedeutend für die Nationalsozialisten mit einem gesunden Geist und einem starken Charakter (Graf; Schiefender, 2020). Da die biologischen Eigenschaften und die “rassische” Qualität des Körpers über den Ein- und Ausschluss in die “Volksgemeinschaft” entschieden, verwundert es nicht, dass ein solches Sgraffito in der Turnhalle des Olympiaparks zu finden es, zumal die Gestaltung der Figuren alle eben genannten Kriterien erfüllt.
Doch welche Symbolik, welche politische Funktion, wurde dem Körper in der NS-Zeit zugeschrieben? Und warum sind die Körper nackt?
HItler kreierte eine Imaginärpolitik, welche über Bilder, Diskurse und Erlebnisse die Körper auf einen einheitlichen Zweck ausrichten sollte, nämlich auf die Formierung leistungsfähiger Einzelkörper zu einem Volkskörper und dessen Unterordnung unter die Befehlskraft eines Führers (Gamper, 2006). Die Massenveranstaltungen im Olympiapark waren die eine Seite, sie sollten das "Volk" zu einem gemeinsamen Konsens bringen und die dargestellten Körper in Form von Statuen, Symbolen oder auch Sgraffitos halfen dabei, die von den Nationalsozialisten festgelegte Norm in den Köpfen der Menschen zu verknüpfen. Über den Körper wurde hier also die (bio)-politische Haltung übertragen. Die Nacktheit der Figuren lässt sich daran erklären, dass sie die reinste natürliche Art des Menschen, ohne Verkleiden oder Verstecken der Körperteile, darstellte. Die Körper waren nackt "unmarkiert", "ungeschützt" (und deshalb besonders heroisch), aber auch: "frei verfügbar" im übertragenen Sinne für alle Zwecke (Gamper, 2006).
Die Nationalsozialisten verbanden einen gesunden Körper, eine gesunde "Volksgemeinschaft" mit der Erhaltung der Natur, dies war sowohl landschaftlich (also der Schutz der Natur beispielsweise durch das Reichsschutzgesetz 1935) gemeint, als auch körperlich, denn nur durch die sportliche Ertüchtigung (die am Ende für den Krieg gegen andere, unterlegene Völker eingesetzt wird) in einer gesunden Natur kann diese Ideologie aufrechterhalten werden. Die Darstellung der nackten Körper ist demnach eine Inszenierung dieser Thesen und findet in dieser Form den Zusammenschluss von Sport, Politik und Körperbildern in NS-Deutschland.
Der Sportjournalist und Chefredakteur des Journal of Olympic History, Volker Kluge, vertritt die Ansicht, dass die Sgrafittos im Turnhaus und andere Malereien und Skulpturen im Olympiapark nicht pauschal als „Nazi-Kunst“ abgetan werden können. Einerseits seien viele der Künstler (u.a. Arno Breker, Louis Gruber und Willy Meller) internationalen Trends gefolgt. So seien während der 1930er Jahre auch in anderen europäischen Großstädten wie Athen, Amsterdam und Rom beispielsweise überdimensionale Skulpturen ausgiebig trainierter, männlicher Körper errichtet worden. Darüberhinaus seien die in der Frühphase des NS-Regimes errichteten Skulpturen und Malereien im Olympiapark noch nicht so stark von der Regime-Spitze (v.a. Goebbels und Hitler) reglementiert gewesen, wie spätere Kunstwerke. Die NS-Führung habe bei der Erbauung des Reichssportfeldes aus taktischen Gründen Zurückhaltung in der ideologischen Ausgestaltung der Kunst walten lassen, um das für die olympischen Spiele zu erwartende internationale Publikum nicht zu verprellen. Dementsprechend sei es gegenüber den Künstlern nicht fair, ihre im Olympiapark bis heute sichtbaren Skulpturen und Malereien pauschal als „Nazi-Kunst“ abzuwerten. (Vgl. Kluge, Volker (2020): Was versteht man eigentlich unter „Nazi-Kunst“? URL: https://olympischesfeuer-dog.de/2020/08/31/was-versteht-man-eigentlich-unter-nazi-kunst/ )
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Station 5: Clubhaus und Gretel-Bergmann-Weg
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