Mitschrift der Vorlesung vom 26.05.: Religiöse Globalisierung-Migration und Populärheilige in Mexico/USA

Die ersten Heiligen der katholischen Kirche waren Lokalakteure und Märtyrer.

Ab dem 10. Jhd. wurde die Heiligsprechung durch den Papst zum kirchenrechtlichen Gesetz. Populärheilige werden jedoch nicht institutionell (durch den Papst), sondern durch das Volk heiliggesprochen. Sie sind nicht unnahbar, sie sind genauso fehlerhaft wie jeder andere Mensch und spiegeln die sozialen Bedingungen der Zeit wieder (z.B.: Motiv der Kriminalisierung bzw. Unrechtmäßigkeit bei „Juan Soldado“, der von Migranten verehrt wird).                                  

Örtliche Populärheilige oder indigene Vorstellungen wurden in den christlichen Glauben integriert (z.B.: „Santa Muerte“- wahrscheinlich aztekischen Ursprungs), so dass ein „polytheistischer“ Katholizismus entstand. Der Lokal-Katholizismus entwickelte ein großes Heiligen-Pantheon, in dem auch verschiedene Imaginationen der Mutter Gottes verehrt werden. Dieser Ethnokatholizismus impliziert, dass tradierte Aspekte der Glaubenslehre anders aufgenommen werden und einen anderen Stellenwert einnehmen. Dies führt zum Konflikt mit der konventionellen Kirche.                                                                                                             Die Verehrung der Populärheiligen geschieht nicht vorrangig in Institutionen, sie werden besonders in Schreinen/Altären in den Häusern und auf den Straßen verehrt.

Dynamiken in der heutigen Zeit entstehen durch Migration und Pilgerreisen.Transnationalisierte Sozialräume werden von der „Cyber-culture“ im Internet geschaffen, dadurch entsteht eine Ent-Territorialisierung der Religion.

Unter den Populärheiligen haben wir „Juan Soldado“, „Santo Niño de Atocha“, „Niño Fidencio“ (ein Wunderheiler) und „Santa Muerte“ etwas näher betrachtet.

 „Juan Soldado“ (eigentlich: Juan Castillo Morales) wurde 1938 hingerichtet wegen der Schuldzusprechung am Mord eines kleinen Mädchens. Nach seinem Tod kursieren diverse Wundertaten um ihn, er wird zum Märtyrer gemacht und verehrt u.a. von Menschen, die Probleme bei der illegalen Grenzüberschreitung haben.

„Santo Niño de Atocha“, ein heiliges Kind, das heute als Wanderkind dargestellt wird, erfährt Verehrung von Transmigranten. Identifikation mit dem eigenen Ich ist vorhanden, da es die Migrationserfahrung wiederspiegelt.

Der Glauben an die „Santa muerte“ (eine Jungfrau in Skelett, mit Sense und Umhang) ist seit dem Jahr 2000 weit verbreitet. Sie wird in Mexico, Kuba und den USA verehrt (→Migration). Es gibt massenhafte Pilgerschaften nach Mexico-Stadt zu ihren Schreinen. Sie wird um Liebe, Schutz, Erfolg und Gesundheit gebeten. Die Verehrung erfuhr Veränderung durch ihre Anhänger, die vorher eher aus dem ländlichen Raum, heute aber aus den Städten kommen und nicht nur zur sozialen Unterschicht gehören (Prostituierte und Kriminelle-aber auch Polizisten), sie verehren den „guten Tod“ (der Tod ist allgegenwärtig im Leben).

Diverse Spannungsfelder zwischen Glauben und Staat entstanden. Der Glaube wurde von der Kirche nicht anerkannt und als Sekte bezeichnet (ähnlich der Santeria). Die Medien kriminalisierten die „Santa Muerte“-Anhänger und trugen so zu einem negativ-belasteten Bild bei. Der Staat verurteilte die „Santa Muerte“ nach 2002 stark. Der Glaube transnationalisierte sich, die gegründete Kirche ("Iglesia Católica Tradicional Mex-USA") wurde im Mai 2005 der Status -Kirche- vom mexikanischen Staat aberkannt, denn dieser Glauben spreche gegen katholische Statuten und gegen das Regime (Spiegel der Gesellschaft- Allgegenwärtigkeit des Todes). Der heilige Tag ist Maria Himmelfahrt, was ebenso ein Interessenskonflikt mit der katholischen Kirche hervorruft, da diese keine Verehrung des Todes anstrebt.

Durch die Zustimmung der „Santa Muerte“ z.B.: zu Verhütungsmitteln und Priesterweihen von Frauen wurde diese Kirche attraktiv für viele Anhänger gegenüber der konservativen Kirche.

J. Ullmann

  • Keine Stichwörter