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Die Writing Culture Debatte stellt eine Zäsur in der Fach- und Theoriegeschichte der Sozial- und Kulturanthropologie dar.

Sie wurde ausgelöst durch Clifford Geertz' Werk "Works and Lives" (dt. "Die künstlichen Wilden") und beschäftigt sich mit der literarischen Rolle der Ethnologen. Man spricht hier von der Krise der ethnographischen Repräsentation. 

In den klassischen Ethnographien wird jedes individuelle und subjektive Element ausgeblendet. Sie folgen dem positivistischen Wissenschaftsideal. Dagegen lesen sich die Titel und die Einführungen zu den Werken romanhaft; der Forscher erzählt von seinem ersten Kontakt mit den "Fremden" oder beschreibt die Dorfidylle. Im Hauptteil hingegen bleibt völlig im Dunkeln, wie der Forscher zu seinen Daten gelangte.

Des Weiteren ausgespart werden Probleme, die sich im Verlauf der Feldforschung für den Ethnographen ergeben, beispielsweise Kulturschock, Einsamkeit, Konflikte. Diese kommen erst in geheimen Tagebüchern (Malinowski), unter Pseudonym veröffentlichten Berichten (Laura Bohannan) oder in teils autobiographischen Werken vor (Lévi-Strauss' Traurige Tropen). Die Neutralität zu bewahren scheint oberstes Gebot für die klassischen Ethnographen gewesen zu sein.

Diesie Neutralität kann laut Writing Culture Vertretern wie Edward Said und James Clifford allerdings kein Ethnologe gewährleisten. Ganz im Gegenteil: In "Time and the other" (1983) greift Johannes Fabian das Problem der assymmetrischen Repräsentation. Seine These ist, Ethnographien machen aus untersuchten Gesellschaften erst das "Andere"; häufig mit dem Ziel koloniale Ziele zu rechtfertigen. Man spricht dabei von "Othering".

Die Ziele dieser die Ethnologie revolutionierenden Strömung ist Beschäftigung mit der Wissenschaft selbst und mit den Kontexten der Produktion von Wissen über Andere und das Ausprobieren experimenteller Formen der Ethnographie (literary turn).

Zwei grundsätzliche Methoden der Writing Culture sind die dialogische und die polyphone Ethnologie:

1. Dialogische Ethnologie meint den Vergleich von ethnologischer Beobachtung mit den Aussagen von Informanten. Ihr Ziel ist die Darstellung der Differenz zwischen westlichen Ansichten und denen der Einheimischen und das Aufzeigen der Angreifbarkeit des Forschers.

2. Polyphone Ethnologie (Mehrstimmige Ethnologie) ersetzt die eine Stimme des Ethnographen durch viele Stimmen seiner Informanten. Durch eine möglichst wortgetreue Wiedergabe ihrer Ansichten wird der Facettenreichtum individueller Wirklichkeitsauffassungen dokumentiert. Der Ethnograph ist dabei lediglich Vermittler. Das Ziel der polyphonen Ethnologie ist der Abbau der Hierarchie zwischen Ethnologe und Informant.

Multisited Ethnography:

auf der Suche nach neuen Formen der ethnografischen Beschreibung begründet George Marcus die "multisited ethnography" (mobile Ethnographie), die an Leo Frobenius' polygrafische Methode erinnert:
Der Ethnograf folgt Menschen, Dingen, Geschichten, Techniken, Ideen, Mythen und Ideologien auf dem Weg ihrer Verbreitung.

Die Idee stammt von dem indischen Ethnologen Arjun Appadurai, die bei der Verbreitung im globalen Kontext von "scapes" oder Landschaften spricht, und diese ethnoscapes, ideoscapes, technoscapes und so weiter nennt. Der Ethnologe begibt sich nicht mehr zu einer ethnischen Gruppe, sondern folgt dem Gegenstand seiner Untersuchung auf seiner Reise durch Zeit und Raum.

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