Dipesh Chakrabarty ist ein indischer Historiker. Seine Hauptthemengebiete sind moderne südasiatische Geschichte, Geschichte der Minderheiten und der „Subaltern". Er gehört der Strömung des Postkolonialismus an.
Er arbeitet zurzeit an der University of Chicago.

Wichtigste Aussagen im Text „Provincializing Europe" (2000)

  • Chakrabarty spricht immer wieder von politischer Modernität, und meint damit die Regeln moderner Institutionen des Staates, der Bürokratie und der kapitalistischen Unternehmen.
  • Diese Ansätze sind eng verbunden mit dem europäischen Denken und der europäischen Geschichte, und dass heute in der ganzen Welt.
  • Die Europäer haben im 19.Jh die Aufklärung in die Welt hinausgetragen, und damit den kolonisierten Ländern mit der Zeit Möglichkeiten in die Hand gegeben ihre eigene Meinung und Kritik an den Kolonialmächten zu üben.
  • Chakrabarty erklärt, dass in Indien die Intellektuellen lange Zeit sehr positiv der europäischen Aufklärung gegenüberstanden, so dass heute, vor allem in den Sozialwissenschaften, nur noch ein europäischer Denkansatz möglich ist.
  • Chakrabarty will daher in seinem Buch 2 Denkansätze, die aus der Aufklärungszeit übrig geblieben sind, neu überdenken: 1) den Historizismus und 2) die Grundsätzliche Idee von Politik

Historizismus:

  • Für Chakrabarty bedeutet Historizismus „ein Denkansatz der uns vermittelt, dass alles in der Welt als eine historisch entwickelte Einheit gesehen werden muss, die sich über die Zeit als ein individuelles Ganzes entwickelt hat."(Zitat, Seite 23 oben)
  • Historizisten waren z.B. Bastian, Adolf und Ratzel, Friedrich. Sie haben versucht eine Universalgeschichte zu schreiben.
  • Seine Kritik am Historizismus ist, dass Begriffe wie „politische Modernität" und „später Kapitalismus" nur im Zusammenhang mit der „westlichen entwickelten" Welt gesehen werden, und nie mit dem „Rest" der Welt
  • dass europäische Historizisten davon ausgehen, dass Kapitalismus und Modernität noch nicht global sind, aber, von Europa ausgehend, es mit der Zeit werden
  • dass die „nicht- westlichen" Länder im 19.Jh. in eine Art „Warteraum" verfrachtet wurden, in denen ihnen, zu mindest zu diesem Zeitpunkt, abgesprochen wurde, dass sie sich schon selbst regieren können. Beispiel: aus einem Zeit- Artikel ( Ausgabe Nr.5/2010, Zeitläufe) es geht darin um den Beginn der Unabhängigkeit der ehemaligen französischen Kolonien in Afrika; Charle de Gaulle hat auf der Eröffnung der Konferenz über die Zukunft des Kolonialreichs am 30.Januar 1944 gesagt: „ Frankreich wolle seine afrikanischen Territorien auch in Zukunft regieren, bis deren Völker fähig sein würden, an der Führung und Lenkung ihrer eigenen Angelegenheiten teilzunehmen."

Idee von Politik:

  • Er zeigt, dass es im 20.Jh. in diesen Ländern mit dem „Antikolonialismus" zu einer Gegenströmung kam.
  • Dadurch kam es zu 2 wichtigen Entwicklungen zur modernen Politik in diesen Ländern:
  1. es wurde der „Warteraum" abgelehnt
  2. wurde der „Peasant" als volles Mitglied der Gesellschaft aufgenommen, mit allen Rechten( z.B. Wahlrecht)
  3. *als „Peasant" bezeichnet er hier den nicht- modernen, einfachen, ungebildeten Bürger.

Im Kapitel „Subaltern Studies and the Critique of Historicism" kritisiert Chakrabarty den Ansatz von westlichen Historizisten, die dass Einbeziehen von Glaube und Verwandtschaft in das politische Denken der „Peasants" als noch nicht in der weltlichen Logik der Politik angekommen ansehen.

  • Indische Historiker, wie Guha, ziehen die Grenzen fürs das politische Denken anders
  • Chakrabarty beschreibt, dass in Indien beides möglich ist: modernes politisches Denken und einbeziehen der Götter
  • Hält Glaube nicht für veraltet
  • In Indien gibt es auch Tendenzen, dass der Hinduismus in das weltliche Leben der modernen Inder mit einfließt, ähnlich wie der christliche Glaube in Europa

Chakrabarty erklärt, dass jeder Historiker, je nachdem aus welchem Teil der Welt er stammt, einen eigenen Blickwinkel auf die Geschichte hat. Das Hauptproblem ist aber für alle, das Verlassen der eurozentrischen Sichtweise der Geschichte. Er will mit seinem Buch versuchen eine neue Sichtweise in der Analyse und Beschreibung von Geschichte aufzuzeigen, die ein Durchscheinen der Zusammenhänge von nicht- europäischer Geschichte und europäischem Denken ermöglicht.

Im Epilog hebt er hervor, dass die Menschheit sehr vielfältig und mit sehr unterschiedlichen Orientierungen ist. Er will damit zeigen, dass es durchaus möglich ist alte Traditionen im modernen Alltag zu leben.

Am Ende zeigt er 2 Möglichkeiten auf in der politischen Modernität mit der Vergangenheit umzugehen:

  1. Der historizistische Ansatz:

Man muss die Vergangenheit kennen, um ihre Entwicklung zu verstehen, aber sagt sich los von ihr, um neues zu „erschaffen".

  1. Der „Decisionism" Ansatz:

Die Vergangenheit dient als „Pool"/ Ressource (er bezeichnet es als „Warenhaus"); es gibt einem die Möglichkeit Kritik an der Vergangenheit oder auch an der Zukunft zu üben; man kann selbst die Entscheidung treffen, was noch brauchbar ist und was nicht; trotzdem gibt es eine gewisse Freiheit von der Vergangenheit, aber gleichzeitig die Möglichkeit, jene „Traditionen" zu gebrauchen, die hilfreich sind.

Manche Historiker vereinen auch beide Richtungen in ihren Ansätzen.

(Quelle: Ü Fach- und Theoriegeschichte im WS 09/10, Referatsskript der AG "Postkolonialismus und Feminismus", 04.02.10)

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