Ätiologie
Das Marek-Disease-Virus ist ein behülltes DNA-Virus, das in die Gattung Mardivirus innerhalb der Familie Herpesviridae, Subfamilie Alpha-Herpesvirinae gehört.
Unterschieden werden:
- Gallide herpesviren 2 (Serotyp 1) verursachen die akute onkogene und klassische nervale Form beim Huhn, der Wachtel und der Pute. Es ist nur für infizierte Hühner meldepflichtig.
- Gallide herpesviren 3 (Serotyp 2) sind alle, für Hühner, apathogenen Marek-Disease-Viren.
- Meleagrid herpesviren 1 (Serotyp 3) sind alle, aus Puten isolierten, apathogenen Herpesviren.
Die Stämme können aufgrund von Krankheitsdauer, Organspektrum tumoröser Veränderungen, Mortalität, immunsuppressive Eigenschaften in verschiedene Pathotypen differenziert werden:
- mild (m)
- virulent (v)
- sehr virulent (vv)
- extrem virulent (vv plus)
Epidemiologie
Der Erreger ist weltweit verbreitet und zeigt eine hohe Tenazität in der Umwelt. Die Erkrankung ist hoch kontagiös und wird leicht in Geflügelbeständen übertragen. Die Infektion erfolgt aerogen, über Einatmung von infektiösem Material. Belebte Vektoren (Zecken, Flöhe und Vogelmilben) sind auch an der Verbreitung beteiligt. Das Virus reift im Epithel eines Federfollikels heran. Als vollständig infektiöse und umhüllte Form wird es in die Umwelt freigesetzt. Es kann bis zu 6 Monaten in der Einstreu oder bis zu 1 Jahr im Stallstaub von Hühnerställen überleben. In trockenen Federn sind Viruspartikel bis zu 10 Jahren nachweisbar. Staub oder Hautschuppen von infizierten Hühnern spielen bei der Übertragung eine entscheidende Rolle. Die Infektion verbreitet sich, unabhängig vom Impfstatus der Vögel, innerhalb weniger Wochen von Tier zu Tier, sobald das Virus in einen Bestand eingeschleppt wurde. Als Träger und Infektionsquelle dienen infizierte Hühner über einen langen Zeitraum. Eine vertikale Übertragung ist nicht nachgewiesen. Die Marek-Virus-Stämme variieren stark in ihrer Übertragbarkeit. Stark abgeschwächte Stämme werden nicht übertragen.
Pathogenese
Die Infektion erfolgt aerogen durch Staubpartikel an denen das Virus anheftet. In der Lunge wird das Virus von Makrophagen oder Dendritischen Zellen phagozytiert und in die primären lymphatischen Organe transportiert. Das sind die Milz, Bursa fabricii und der Thymus. Dort infiziert das Virus B-Lymphozyten, repliziert in ihnen und wird durch Zelllyse wieder freigesetzt. Durch die Entzündung werden CD4+ - T-Lymphozyten angelockt, welche wiederum von dem Virus infiziert werden. Die betroffenen Organe weisen Veränderungen auf. So kommt es zur Rückbildung der Bursafollikel und des Thymuskortex.
Durch die, nach 4 Tagen, folgende zellassoziierte Virämie gelangt das Virus in die Federfollikelepithelien. Nach ungefähr 1 Woche erfolgt dort auch die Erregerausscheidung und Übertragung auf andere Tiere.
Das Virus persistiert lebenslang und befällt im weiteren Verlauf auch das Pankreas, den Magen und das Herz. Die latente Infektion findet in CD4+-Lymphozyten statt. Durch die Transformation befallender Zellen kann es zur Entartung dieser kommen und es entsteht ein Lymphom. In diesem Fall verenden die Tiere meist 3 Wochen später in Folge einer Lymphomatose in Nerven, Gonaden, Leber, Nieren, Milz, Herz und Skelettmuskulatur.
Klinik
Die Inkubationszeit beträgt 2-30 Wochen. Es kommt zur Ausbildung verschiedenster Symptome, die aufgrund ihrer Verlaufsformen unterschiedlichen eingeteilt werden. Alle Formen können gemeinsam auftreten oder ineinander übergehen. Der Krankheitsverlauf ist hierbei abhängig von verschiedenen Faktoren, wie zum Beispiel Haltungs- und Umweltbedingugen, Alter und Rasse sowie möglichen Stressfaktoren. Darüber hinaus spielen die Eigenschaften der verschiedenen Virusstämme eine wichtige Rolle. Sie werden anhand ihrer Pathotypen in mild, virulent, sehr virulent und extrem virulent eingeteilt und unterscheiden sich unter Anderem bezüglich der Organverteilung der Tumore sowie Mortalität und Erkrankungsdauer.
Die akute Form wird durch hochonkogene Stämme hervorgerufen und führt zu erhöhten Ausfällen und Erkrankungserscheinungen im Alter von 6-8 und 16-20 Wochen. Es kommt zur Ausbildung multipler Lymphome in den Organen wie Leber, Milz, Nieren und Drüsenmagen sowie der Skelettmuskulatur. Darüber hinaus kann es zu PNS-Veränderungen kommen. Die Mortalität liegt bei 10-70%.
Die chronische (klassische) Form wird durch gering bis mittelgradig onkogene Stämme hervorgerufen und aufgrund ihrer Symptome auch als neurale Form bezeichnet. Es kommt zu Verlusthäufungen zwischen der 24. und 30. Woche und die Mortalität liegt bei unter 10%. Es können verschieden neurologische Symptome beobachtet werden, wie Paresen, Paralysen der Beine mit Ballerina-Stellung und Stechschritt sowie Hängenlassen der Flügel. Außerdem kann es bei Beteiligung des N. vagus zur Kropflähmung mit pfeifender Atmung kommen. Pathologische Befunde sind bei dieser Form knotige Verdickungen sowie graugelbe Verfärbungen peripherer Nerven mit Verlust der Querstreifung.
Bei der Hautform können plötzlich auftretende Hauteffloreszenzen beobachtet werden. Es kommt zu Federverlusten und knötchenförmigen Verdickungen der Federfollikel. Einige Virusstämme verursachen außerdem Pupillendeformationen, die sich durch eine verringerte Reaktion auf Lichteinfall bemerkbar machen.
Allen Formen gemein ist das seuchenhafte Auftreten bei jungen Hühnern. Bei älteren Tieren kann die Infektion auch klinisch inapparent verlaufen.
Diagnose
Zu Beginn sollte eine gründliche Anamnese mit anschließender Allgemeinuntersuchung erfolgen. Daran können sich weitere diagnostische Verfahren anschließen, um MDV nachzuweisen.
Zur Diagnose bieten sich verschiedene Methoden an:
Die einfachste und kostengünstigste Art und Weise ist der Nachweis mittels Agargelpräzipationstest. Dafür wird ein Agar mit einer gewissen Anzahl an Stanzen verwendet. In die mittlere Stanze werden Antikörper gegen MDV appliziert. Um die mittlere Stanze herum werden Federn von vermeintlich infizierten Tieren gesteckt. Bei einer positiven Reaktion entsteht eine weiße Linie zwischen dem AK und dem Antigen aus der Feder. Diese wird als Präzipationslinie bezeichnet und stellt eine Antigen-Antikörper-Reaktion dar. Am besten eignen sich nachwachsende Feder (z.B. wie bei der Mauser). Vorteil dieses Tests ist der Nachweis des MDV an einem lebenden Tier. Nachteil ist allerdings eine geringe Sensitivität und keine Unterscheidung zwischen Feld oder Impfstamm.
Eine direkte Methode das Virus nachzuweisen ist die Virusanzucht in aviären Zellen mit anschließenden Immunflureszens-Anfärbung. Optimal eignen sich dafür Kükennierenzellkulturen bzw. Entenfibroblasten, wo das Virus sich vermehren kann und mithilfe von Immunflureszensfarbstoffen sichtbar wird.
Die Methode der Wahl bei toten Tieren ist hingegen die Histologie. Mikroskopisch lassen sich in vielen Organen lymphoproliferative Herde erkennen. Dazu entnimmt man einfach Gewebeproben von toten Tieren. Vorteil dieses Verfahrens ist, dass man durch weiterführende Immunhistologische Methoden eine Differenzierung zur Leukose vornehmen kann.
Gängig sind auch verschiedene quantitative oder reguläre PCR-Verfahren, die aber eine Unterscheidung zwischen Impf- und Wildtyp-Virus erlauben müssen. Probenmaterial dafür wären Tumorgewebe, Vollblut oder Federfollikel.
Differentialdiagnosen
Differenzialdiagnostisch betrachtet sollte man systematisch zwischen viral, bakteriell, mykotisch, parasitär, alimentären, toxischen und Differentialdiagnosen unbekannter Ursache unterscheiden.
Viral:
Sowohl die akute lymphoide Leukose (aviäres Leukosevirus (ALV)) mit B-Zell-Leukämien,
Sowie die akute Sarkomatose (Akute Leukämie/Sarkom Viren) und die Retikuloendotheliose (Retikuloendotheliosis Virus (REV)), als auch die chronische Form der New Castle disease (Aviäres Paramyxovirus 1 (AMPV-1)) sollten differentialdiagnostisch in Betracht gezogen werden. Des Weiteren stehen das Chicken Anemia Virus (CAV) und das Infektiöse Bursitis Disease Virus (IBD), ausgelöst durch eine Immunsupression und die Aviäre Encephalitis (AE) sowie die hochpathogene aviären Influenzaviren (HPAI) auf der Differentialdiagnosen-Liste, die neurogene Symptome auslösen.
Bakteriell:
Bakteriel bedingt sollte man immer Botulismus (Chlostridium botulinum), eine Listeriose, Okulare Streptokokken und Salmonellen ausschließen.
Andere Differentialdiagnosen:
Eine mykotisch bedingte Aspergillose, parasitäre Toxoplasmosen, alimentäre Hypovitaminosen und Ammoniakverätzungen stellen seltenere Differentialdiagnosen dar und können durch die Klinik oftmals bereits ausgeschlossen werden.
Therapie
Es erfolgt keine kausale Therapie.
Prophylaxe
Als wichtigste prophylaktische Maßnahme ist heutzutage die Impfung anzusehen. Eine gründliche Hygiene zur Vermeidung der Erregerverbreitung spielt ebenfalls eine wichtige Rolle. Des Weiteren gibt es Ansätze zur Züchtung genetisch resistenter Hühnerlinien.
Zur Immunprophylaxe stehen drei verschiedene Impfstoffe zur Verfügung.
Beim Serotyp 1 (Rispens) handelt es sich um einen attenuierten, zellassoziierten Impfstoff mit dem Gallid alphaherpesvirus 2 (GaHV-2). Der Erreger ist schwach virulent, aufgrund einer gewissen Restpathogenität und es entsteht ein synergistischer Effekt bei Kombination mit Serotyp 3.
Serotyp 2 (SB1) ist ein zellassoziiertes, apathogenes Virus, das dem MDV sehr ähnlich ist (GaHV-3). In Deutschland gibt es aktuell kein zugelassenes Präparat.
Serotyp 3 (HVT = Herpes Virus of Turkey) ist das für Hühner und Puten zellassoziierte, apathogene Meleagrid alphaherpesvirus 1. Dieser Impfstoff bietet besonders guten Schutz gegen hochonkogene MDV-Stämme mit einer Schutzrate bis zu 80%.
Die Impfung wird in der Regel am ersten Lebenstag in der Brüterei durchgeführt und erfolgt intramuskulär oder subkutan. Nach 2 bis 6 Wochen kann die Impfung gegebenenfalls wiederholt werden. Ein belastbarer Impfschutz besteht nach 9 bis 12 Tagen. Es muss allerdings beachtet werden, dass die Impfung zwar eine Erkrankung, nicht jedoch die Infektion mit dem MDV-Feldvirus sowie eine Virusausscheidung verhindern kann.
Standardgemäß werden in Europa nur Küken für die Legehennenhaltung und Elterntierzucht, sowie Rassegeflügel geimpft. Eine Impfung von Broilern ist aufgrund der geringen Mastdauer selten erfoderlich. In einigen Regionen, wie den USA gilt die Marek-Impfung von Broilern dagegen als Standardschutzimpfung wegen des oftmals höheren Schlachtalters der Tiere. Dort ist es üblich, die Embryonen am 18. Bruttag in ovo zu impfen.
Prognose
Für die Marek Krankheit gibt es keine wirksame Behandlung
Zur Prävention gehören Impfung, Biosicherheit und genetische Resistenz.
Die Impfung ist die beste Strategie zur Vorbeugung und auch Kontrolle der Marek-Krankheit.
Einhaltung einer optimalen Stall-Hygiene reduziert die Exposition oder verzögert sie. Der Fokus liegt auf der Züchtung einer genetischen Resistenz.
Zu den Impfstoffen gehören: (siehe Prophylaxe)
-HVT, natürlich avirulentes Meleagrid alphaherpesvirus 1 (Türkei Herpesvirus)
-Natürliches avirulentes Galliden-Alphaherpesvirus 3 (SB-1 oder 301B/1)
-Abgeschwächtes Gallid alphaherpesvirus 2 (CVI988/Rispens)
Der HVT-Impfstoff dient als Grundgerüst für rekombinante Impfstoffe.In diese werden Gene anderer Geflügelviren eingefügt.
Der Vorteil dieser rekombinanten Impfstoffe ist, dass sie zusätzlich Schutz vor Marek, als auch gegen das eingefügte Virus dienen. Zum Beispiel vor New Castle Disease.
Impfstoffe werden beim Schlüpfen oder in ovo an Embryonen am 18. Tag der Inkubation verabreicht.
Eine vorherige Impfung reduziert die Ausscheidung verhindert aber nicht die Infektion. In Deutschland sind nur Impfstoffe zugelassen, die zellassoziiert sind.
Geringer Virusgehalt in den Vakzinen, fehlerhafte Applikation, schlechte Hygiene, Transportstress, Lagerungsfehler (flüssiger Stickstoff) begünstigen leider Impfdurchbrüche.
Literatur/Weblinks
Rautenschlein, S. & Ryll, M. (2014). Erkrankungen des Nutzgeflügels: Ursachen, Klinik, Pathologie, Diagnosen, Prophylaxe und Bekämpfung (1. Aufl.). UTB GmbH.
Siegmann, Otfried; Ulrich Neumann (2012): Kompendium Der Geflügelkrankheiten (7. Aufl.), Hannover: Schlütersche