Einführung:
Nach der Geburt (post natum) erfährt das Neugeborene eine Umstellung verschiedener Parameter. So wird es nicht mehr kontinuierlich vom Muttertier mit Energie versorgt, sondern muss selbstständig Energie generieren. Die Thermoregulation und Entgiftung erfolgt souverän. Und das Immunsystem ist einem erhöhten Infektionsdruck der Umwelt ausgesetzt.
Neonatale Adaption (Neonatale Adaptation nach der Geburt):
Ist die Umstellung und Anpassung der Organfunktion an die veränderte Umwelt. Innerhalb von zwei bis vier Wochen adaptiert sich die Atmung, das Herz/Kreislaufsystem, die Nieren und die Thermoregulation, sowie der Verdauungstrakt des Neonaten an die Umwelt.
Atmung:
Aufgrund des Geburtsvorganges sinkt die plazentare Durchblutung und somit die Sauerstoffversorgung der Frucht:
a) Aufgrund des mangelnden Gasaustausches in der Lunge entsteht eine respiratorische Azidose, durch die der pH-Wert des Blutes fällt und der Co2 Gehalt im Blut ansteigt. Es folgt ein Atemstimulus und damit der Ausgleich der Azidose.
b) Aufgrund der mangelnden Durchblutung der Plazenta entsteht eine Hypoxie in der Frucht. Es sammeln sich vermehrt Laktate an. Welche zu einer metabolischen Azidose führen. Es folgt die Ph- Wert Senkung im Blut und Gewebe sowie eine gesteigerte CO2 Produktion, welche als Atemstimulus dient.
Ablauf der Adaption der Atmung:
Passage durch den Geburtskanal → komprimierter Thorax, Austreten aus dem Geburtskanal → Aufdehnung des Thorax und damit passiver Lufteinstrom, kurzfristige Apnoe mit darauffoolgender Schnappatmung, Entstehung einer periodisch regelmäßige Atmung, Regulatioin zur rhythmisch regelmäßigen Atmung
Komplikationen: Frühasphyxie, Spätasphyxie
Kreislauf:
Mit dem Einsetzen der Atmung fällt der Druck in den Lungen stark ab. Das Lungenkapillarnetz wird durchströmt. Folglich sinkt der Druck im rechten Atrium des Herzens. Verglichen mit dem linken Atrium ist nun eine Druckumkehr entstanden. Durch diese Druckumkehr in den Atrien wird das Septum primum gegen das Septum secundum gedrückt und das Foramen secundum funktionell geschlossen. Damit ist der Shunt zwischen dem linken und rechten Atrium geschlossen. Aufgrund des Abnabelns nach der Geburt, fällt das ursprünglichee Niederdruckgebiet der Plazenta weg. Deshalb steigt der periphere Widerstand im grossen Kreislauf an, was ebenfalls zu einer Druckumkehr zwischen Aorta und Trunkus pulmonalis führt. Der vorgeburtliche Rechts-Links-Shunt, entstanden durch den Ductus arteriosus, wird zu einem Links-Rechts-Shunt umgedreht. Der Sauerstoffpartialdruck in der Aorta nimmt durch die Lungenatmung zu, da das Blut direkt in die Lunge des Neonaten oxygeniert wird. Es folgt einer Kontraktion der glatten Muskulatur in der Wand des Ductus arteiosus. Mit der Konsequenz eines funktionellen Verschlusses. Nach einigen Wochen entwickelt sich aus dem funktionellen Verschluss ein struktureller Verschluss. Übrig bleibt das Ligamentum arteriosus. Der Ductus venosus (Ductus venosus Arantii) ist eine fetale Kurzschlussverbindung zwischen der linken V. portae und der V. cava caudalis. Vor der Geburt werden circa fünfzig Prozent des Nabelvenenblutes, unter Umgehung des Leberkreislaufs, direkt in die Hohlvene geleitet. Das Blut wird aufgrund der Engstelle des Ductus venosus beschleunigt. Das so beschleunigte, sauerstoffreiche Blut kann unter Umgehung des Lungenkreislaufes direkt den großen Körperkreislauf versorgen. Der Ductus venosus verschließt sich bei Hunden, Katzen und Wiederkäuen erst postnatal. Nach Verschluss bleibt das Ligamentum venosum zurück.
Komplikationen: persistierender Ductus arantii (irischer Wolfshund)
Merke: Die Herzfrequenz eines Neonaten ist immer höher als die eines adulten Tieres →Ursachen: labile Kreislaufsituation, hoher Energieverbrauch, geringes Blut/Schlagvolumen
Nieren:
Im Vergleich zum Adulten haben Neonaten:
eine 50 prozentige glomeruläre Filtrationsrate
eine deutlche verringerte tubuläre Reabsorption → damit ist die Fähigkeit zur ausreichenden Salz -und Wasserretention deutliche eingeschränkt
Merke: Neonaten trocknen schneller aus
Thermoregulation (Thermoregulation)
Neonaten geben Körperwärme in Form von Konvektion, Strahlung und Verdunstung ab. Möglichkeiten zur Regulation des Wärmehaushaltes sind:
Kältezittern
braunes Fettgewebe hat die spezielle Fähigkeit, durch Oxidation von Fettsäuren, Wärme zu entwickeln (Cave: beim Ferkeln nicht vorhanden)
Merke: erhöhte Gefahr der Hypothermie
Verdauungstrakt:
Begriffsklärungen
Partus Geburt
post partum nach der Geburt (Bezug auf Muttertier)
post natum nach der Geburt (Bezug auf Neonaten)
multipar/polypar mehrere Nachkommen pro Partus (typischerweise Hund, Katze etc.)
monopar/unipar nur einen Nachkommen pro Partus (typischerweise Pferd, Rind etc.)
Eutokie Normalgeburt
Dystokie Geburtsstörung
Nesthocker z.B. Hund, Katze; Anfangs blind, taub, ohne Riechvermögen, z.T. ohne Kälteschutz,
Höherer Fettanteil in der Milch
Nestflüchter z.B. Pferd, div. Wdk; Motorik und Sensorik entwickelt, höhere relative Geburtsmasse,
höherer Laktoseanteil in der Milch (schnelle Energie)
Teratologie
Einführung
Bei der Teratologie handelt es sich um die Lehre (altgriechisch: logos) pränataler Störungen, die zu kongenitalen Fehlbildungen führen. Teras, altgriechisch für Monster bzw. Ungeheuer, impliziert bereits die Auswirkungen, die diese pränatalen Entwicklungsstörungen haben können. Meist werden als klassische Fehlbildungen nur diese gewertet, welche man auch sehen kann, sodass man meist die morphologischen Abweichungen meint, jedoch behandelt die Teratologie auch solche Störungen, die die Funktion betreffen, sei es nun eine Herabsetzung, Erhöhung oder das vollständige Ausbleiben dieser. Als Fehlbildung gilt eine Abweichung von der als Norm definierten Entwicklung eines Organs oder eines Körperteils, unabhängig davon, welche Auswirkung diese auf das Individuum hat, somit geht mit einer Fehlbildung als solchen nicht grundsätzlich ein Krankheitsbild einher, sodass die klinische Relevanz immer in Hinblick auf das betroffene Individuum einzuschätzen ist. Allerdings gibt es auch solche Fehlbildungen, die zwangsläufig zur Lebensunfähigkeit führen.
Klassifizierung
Vorkommen
Fehlbildungen können sowohl einzeln als auch gehäuft vorkommen. Ein Individuum kann also mehrere Fehlbildungen haben, die nicht zwangsläufig kausal zusammenhängen müssen. Liegt allerdings ein kausaler Zusammenhang vor, so spricht man von einem Syndrom. Bei einem Syndrom gibt es eine gemeinsame Ursache der Fehlbildungen, die in einer typischen Art miteinander auftreten. Beispiele hierfür wären das Beckwith – Widemann – Syndrom, welches auftritt bei dem Verlust der Methylierung an spezifischen imprinted genes (1). Die Fehlbildungen, die intrauterin schon auftreten können, umfassen vor allem Makrosomie und Organomegalie (2), welche durch unterschiedlich schnelles Wachstum der betroffenen Strukturen hervorgerufen werden. Kausal hängen diese zusammen durch die epigenetische Veränderung.
Begriffe
kongenital = angeboren, bei der Geburt vorhanden
Agenesie = vollständiges Fehlen einer Anlage
Aplasie = unvollständige Differenzierung einer Anlage
Hypoplasie = unterdurchschnittliches Wachstum einer Anlage
Hyperplasie = überdurchschnittliches Wachstum einer Anlage
Heterotypie/ Dystopie = funktionsfähiges Gewebe entwickelt sich an einer anatomisch falschen Stelle
nicht vollzogene Lageveränderung à Beispiel Kryptorchismus
Ektopie = vollzogene Lageveränderung, die eigentlich nicht vorgesehen ist
Atresie/Stenose = unvollständige Kanalisierung/ Hohlraumbildung bei Hohlorganen
Persistenz = fehlende Rückbildung von Strukturen, die eigentlich nur temporär angelegt sein sollten
Dysraphie = mangelhafter/ fehlerhafter Verschluss von Anlagen, die geschlossen sein sollten
spezielle Fehlbildungen der Gliedmaßen
Fehlbildungen der Gliedmaßen können in allen Variationen vorkommen, was bedeutet, dass nur eine Gliedmaße, zwei, welche meist bilateral symmetrisch betroffen sind, oder sogar alle betroffen sein können.
Amelie = vollständiges Fehlen einer, mehrerer oder aller Gliedmaßen
Mikromelie = hypoplastische Gliedmaßen
Peromelie = fehlen distaler Gliedmaßen
Die Peromelie kann weiter unterteil werden in Abhängigkeit des Fehlens bis zu einer gewissen Höhe.
Aphalangie = Fehlen von einem oder mehrerer Glieder einer Phalanx oder mehrerer Phalangen
Adaktylie = Fehlen der Phalangen einer Gliedmaße
Hemimelie = Fehlen oder starke Verkürzung eines Teils der distalen Gliedmaße
Polydaktylie = Vorhandensein zusätzliche Phalangen
Syndaktylie = fehlende Auftrennung der Phalangen
Ursachen
Die Ursachen für Fehlbildungen sind vielfältig. Zum einen können sie genetisch oder auch epigenetisch bedingt sein. Die Erbgänge und die Grundlagen der epigenetischen Veränderung sind nicht immer bekannt.
Auf genetische Ebene sind für die Fehlbildungen entweder Mutationen oder Chromosomenaberrationen verantwortlich. So kann es zu Aneuploidie kommen, was bedeutet, dass man eine Anomalie der Anzahl der Chromosomen hat. Statt eines diploiden Chromosomensatzes liegt dann zum Beispiel eine Monosomie oder eine Trisomie vor. Fehlende Autosomen sind letal, für männliche Individuen (Säugetiere) ist das Fehlen des X – Chromosoms ebenfalls letal, weibliche Individuen können durchaus mit nur einem Gonosom überleben.
Trisomien der Autosomen rufen meist schwere Missbildungen hervor und können sogar zum Absterben der Frucht führen.
Bei Trisomien der Gonosomen bleiben schwere Missbildungen häufig aus, wobei sich meist in der Pubertät eine funktionelle Störung der Geschlechtsorgane oder eine Fehlentwicklung dieser zeigt.
Zum anderen können diese Veränderungen auch induziert werden. Exogene Faktoren werden Teratogene genannt. Diese sind Umweltfaktoren, die vor allem in den vulnerablen Phasen der Organogenese einen starken Einfluss haben können. Die Organe haben eigene sensible Phasen, in denen sie besonders suszeptibel für diese sind.
Unterschieden werden muss hierfür allerdings in die verschiedenen Perioden der Entwicklung. Während der Blastogenese kommt aufgrund von Teratogenen nicht unbedingt zu Fehlbildungen, stattdessen kommt es häufiger zum Absterben des Konzeptus. Sobald in der Embryonalperiode dann die starke Differenzierung der Organe anfängt, kommt es durch die Teratogene gehäuft zu Fehlbildungen. Die sensiblen Phasen richten sich nach der Aktivität der Gewebe zu dieser Zeit, denn in diesen teilen sich die Zellen vermehrt und differenzieren sich. Nach dieser Phase, also in der Fetalperiode, wachsen und reifen die Organe und reagieren auf Teratogene nicht mehr mit Fehlbildungen. Stattdessen wird dann die funktionelle Entwicklung gestört.
Grundsätzlich muss das Teratogen allerdings in irgendeiner Form mit der Frucht in Kontakt kommen, weshalb die Plazentarschranke überwunden werden muss.
Teratogene sind vielgestaltig. Ein bekanntes Beispiel für ein chemisches Teratogen wäre das Contergan. Viren und Bakterien können ebenfalls teratogen wirken.
weiterführende Links
Mekonium (Fohlen)
Mekoniumverhaltung des Fohlens (Pferd)
Vitaldepression (Lamm) (unmittelbar post natum)
Vitalitätsmindernde Faktoren unmittelbar post natum (Neonat)
APGAR-Schema
Thermoregulation
Literatur/Weblinks
http://www.embryology.ch/allemand/pcardio/umstellung02.html
https://www.biologie-seite.de/Biologie/Ductus_venosus
https://lms.fu-berlin.de/bbcswebdav/pid-3934333-dt-content-rid-7158392_2/courses/VETMED_Ue_08851_07S/Allgemeine%20Neonatologie-Handout-08-Nov-2019.ppt.pdf
https://de.wikipedia.org/wiki/Braunes_Fettgewebe
https://de.wikipedia.org/wiki/Neonatologie
Sciorio, R. et al.(2023): Can Cryopreservation in Assisted Reproductive Technology (ART) Induce Epigenetic Changes to Gametes and Embryos? Journal of Clinical Medecine.
https://www.mgz-muenchen.de/erkrankungen/diagnose/beckwith-wiedemann-syndrom.html
Baumgärtner W, Gruber A, Hrsg. Spezielle Pathologie für die Tiermedizin. 2., aktualisierte Auflage. Stuttgart: Thieme; 2020.
Kressin M, Brehm R, Hrsg. Embryologie der Haustiere. 7., völlig überarbeitete Auflage. Stuttgart: Thieme; 2019.