Wissen
fachhistorisch
geschichtskulturell
Skriptentwurf
Struktur | Orte | Was gehört hier hin? | Dauer | Zeichen |
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Startpunkt | ||||
Ankerpunkt 1 | Pfeiler | Thematiseirung Ex-Hakenkreuz + Reichsadler | ||
Wegstrecke | Weganweisung Was zum auf dem Weg hören? O-Töne? | wie lange ist das? | ||
Ankerpunkt 2 | Sgafitto im Foyer | Was sind das für Räumlichkeiten? Früher / Heute Wer nutzt diesen Raum? Wie? => O-Ton? Wandbild:
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Endpunkt | insgesamt: 5-7 min | insgesamt: 4000-6000 Zeichen (mit Leerzeichen) |
Text
Betritt man die große Turnhalle des Olympiaparks, so sind die eingeritzten Wandsgraffitos sehr schnell sichtbar. Abgebildet sind Männer, die Leibesübungen wie Bogenschießen ausführen und dabei nackt sind. Die Körperbilder erinnern stark an Skulpturen oder Malereien aus der Antike, die Männer haben alle einen trainierten Körper und die Genitalien sind klar sichtbar. Die Abgebildeten haben allesamt ein “nordisches” Aussehen. Des Weiteren bedienten sich die Nationalsozialisten eines Gedichts des deutschen Literaturwissenschaftlers Friedrich Theodor Vischer (* 30.06.1807, † 14.09.1887) namens “An die Empfindsamen". Dabei wurde das Gedicht allerdings verkürzt dargestellt und nur der Teil gezeigt, in dem es um die Kraft als Mittel zur Lösung geht. Dabei wird vor allem die Aufopferung für den höheren Zweck (also Krieg, Nation, Volk) betont und die sogenannte “Weichheit”(im Sinne des Auslassens) als Defizit dargestellt. Zudem ist ein starker Bezug zum Militär gegeben, denn im “Kampf” könne man aus der Kraft schöpfen. Der stählerne Körper ist schlussendlich zum Kämpfen für die Nation, für die Ideologie da, der Sport ist mittel zum Zweck, um ihn fit, trainiert und einsatzfähig zu halten.
Wie ist mit solchen Gravuren umzugehen?
Zunächst zum historischen Kontext: Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war die Rassenhygiene, basierend auf den Theorien des Sozialdarwinismus, nicht nur in Deutschland bekannt, sondern auch international wurden Sterilisierungsgesetze erlassen und durchgeführt (Graf; Schiefender, 2020). Die Nationalsozialisten hatten das Ziel “erbgesunde” Menschen für den sogenannten “Volkskörper” zu erziehen, dabei wurde die Eugenik negativ eingesetzt und Menschen mit Behinderungen oder beispielsweise psychischen Erkrankungen systematisch ausgelöscht. Der “Volkskörper” sollte neugestaltet werden, dabei waren das griechische Schönheitsideal der Antike, aber auch andere mythische Vorbilder die Prototypen der “Arier”, der als großer, blauäugiger, junger Mann illustriert wurde (Diehl, 2006). So symbolisierte der “krisenfeste arische” Körper Reinheit, Schönheit und Gesundheit, dies war gleichbedeutend für die Nationalsozialisten mit einem gesunden Geist und einem starken Charakter (Graf; Schiefender, 2020). Da die biologischen Eigenschaften und die “rassische” Qualität des Körpers über den Ein- und Ausschluss in die “Volksgemeinschaft” entschieden, verwundert es nicht, dass ein solches Sgraffito in der Turnhalle des Olympiaparks zu finden es, zumal die Gestaltung der Figuren alle eben genannten Kriterien erfüllt.
Doch welche Symbolik, welche politische Funktion, wurde dem Körper in der NS-Zeit zugeschrieben? Und warum sind die Körper nackt?
HItler kreierte eine Imaginärpolitik, welche über Bilder, Diskurse und Erlebnisse die Körper auf einen einheitlichen Zweck ausrichten sollte, nämlich auf die Formierung leistungsfähiger Einzelkörper zu einem Volkskörper und dessen Unterordnung unter die Befehlskraft eines Führers (Gamper, 2006). Die Massenveranstaltungen im Olympiapark waren die eine Seite, sie sollten das "Volk" zu einem gemeinsamen Konsens bringen und die dargestellten Körper in Form von Statuen, Symbolen oder auch Sgraffitos halfen dabei, die von den Nationalsozialisten festgelegte Norm in den Köpfen der Menschen zu verknüpfen. Über den Körper wurde hier also die (bio)-politische Haltung übertragen. Die Nacktheit der Figuren lässt sich daran erklären, dass sie die reinste natürliche Art des Menschen, ohne Verkleiden oder Verstecken der Körperteile, darstellte. Die Körper waren nackt "unmarkiert", "ungeschützt" (und deshalb besonders heroisch) aber auch "frei verfügbar" im Übertragenen Sinne für alle Zwecke (Gamper, 2006).
Die Nationalsozialisten verbanden einen gesunden Körper, eine gesunde "Volksgemeinschaft" mit der Erhaltung der Natur, dies war sowohl landschaftlich (also der Schutz der Natur beispielsweise durch das Reichsschutzgesetz 1935 )gemeint, als auch körperlich, denn nur durch die sportliche Ertüchtigung (die am Ende für den Krieg gegen andere, unterlegene Völker eingesetzt wird) in einer gesunden Natur kann diese Ideologie aufrecht erhalten werden. Die Darstellung der nackten Körper ist demnach eine Inszenierung dieser Thesen und findet in dieser Form den Zusammenschluss von Sport, Politik und Körperbildern in NS-Deutschland.
Der Sportjournalist und Chefredakteur des Journal of Olympic History, Volker Kluge, vertritt die Ansicht, dass die Sgrafittos im Turnhaus und andere Malereien und Skulpturen im Olympiapark nicht pauschal als „Nazi-Kunst“ abgetan werden können. Einerseits seien viele der Künstler (u.a. Arno Breker, Louis Gruber und Willy Meller) internationalen Trends gefolgt. So seien während der 1930er Jahre auch in anderen europäischen Großstädten wie Athen, Amsterdam und Rom beispielsweise überdimensionale Skulpturen ausgiebig trainierter, männlicher Körper errichtet worden. Darüberhinaus seien die in der Frühphase des NS-Regimes errichteten Skulpturen und Malereien im Olympiapark noch nicht so stark von der Regime-Spitze (v.a. Goebbels und Hitler) reglementiert gewesen, wie spätere Kunstwerke. Die NS-Führung habe bei der Erbauung des Reichssportfeldes aus taktischen Gründen Zurückhaltung in der ideologischen Ausgestaltung der Kunst walten lassen, um das für die olympischen Spiele zu erwartende internationale Publikum nicht zu verprellen. Dementsprechend sei es gegenüber den Künstlern nicht fair, ihre im Olympiapark bis heute sichtbaren Skulpturen und Malereien pauschal als „Nazi-Kunst“ abzuwerten (Vgl. Kluge, Volker (2020): Was versteht man eigentlich unter „Nazi-Kunst“? URL: https://olympischesfeuer-dog.de/2020/08/31/was-versteht-man-eigentlich-unter-nazi-kunst/ )