Mycoplasma gallisepticum (MG) ist ein gramnegatives Bakterium. Es ruft in betroffenen Hühner- oder Putenbeständen häufig chronische respiratorische Erkrankungen hervor und begünstigt Sekundärinfektionen. Die Fähigkeit zur Infektion von Embryonen im Ei führt zu reduzierten Schlupferfolgen sowie zum Schlupf infizierter Küken. Dies ruft gerade in Zuchtbeständen beträchtliche wirtschaftliche Schäden hervor.


  • AllgemeinErreger von chronischen respiratorischen Erkrankungen beim Geflügel mit hoher wirtschaftlicher Signifikanz.
  • ÄtiologieKleines, gramnegatives, zellwandloses, fakultativ intrazelluläres Bakterium.
  • Epidemiologie/InfektionWeltweit vorkommend. Horizontale und vertikale Infektionen sind möglich. Eintrittspforte sind meist entweder der obere Respirationstrakt oder die Konjunktiven.
  • Pathogenese: Schäden an oberflächlichen Epithelien des Respirationstraktes. Systemische Verbreitung unter Einbezug anderer Organe ist möglich.
  • Klinik: Niesen, Husten und rasselnde Atmung. Bei der Pute unter anderem Verschluss der Augen durch Sinusitis. Rückgang in der Legeleistung, sowie verringerte Schlupfraten. Mortalitätsraten bei Broilern mitunter sehr hoch.
  • DiagnoseEin direkter Nachweis über Erregeranzucht ist schwer. Verschiedene PCR-Techniken zum DNA-Nachweis, sowie verschiedene ELISA-Kits zum Antikörpernachweis erlauben eine Diagnose.
  • DifferentialdiagnoseColibazillose, Geflügelcholera, Newcastle Krankheit, niedrig-pathogene aviäre Influenza, infektiöse Bronchitis
  • TherapieResistent gegen beta-Laktam-Antibiotika (besitzt keine Zellwand). Antibiotische Therapie reduziert nur die klinischen Symptomatik, sorgt aber nicht für eine Beseitigung des Erregers.
  • ProphylaxeInaktivierte Impfstoffe sowie Lebendvakzine können ab der 4. Lebenswoche appliziert werden (bis maximal 4 Wochen vor Legebeginn).
  • Prognose: Nach einmaliger Infektion des Bestandes ist eine Erregerfreiheit kaum noch zu erreichen.


Inhaltsverzeichnis

Ätiologie

Mycoplasma gallisepticum sind  kokkoid-pleomorphe Bakterien von einer Größe zwischen 0,1 und 0,6 µm. Sie kommen sowohl intrazellulär als auch extrazellulär vor. Die Bakterien lassen sich nach Gimenez (Karbolfuchsin Malachitgrün) und Giemsa anfärben. In der Gramfärbung stellen sie sich gramnegativ dar. Wie alle anderen Mykoplasmen ist auch Mycoplasma gallisepticum zellwandlos und wächst aerob bis fakultativ anaerob. Aufgrund dessen, dass sie keine Zellwand besitzen sind sie gegen viele Antibiotika resistent, die die Zellwandsynthese stören. Dahingegen sind sie aber anfällig für Desinfektion und Umwelteinflüsse. Sie haben außerdem eine recht geringe Genomgröße von 580 bis 1350 kbp.

Epidemiologie

Mycoplasma gallisepticum kann sowohl horizontal als auch vertikal übertragen werden. 

Eine horizontale Übertragung entsteht, wenn empfängliche Tiere beim Kontakt mit infizierten Tieren über Schmier-, Tröpfchen- oder aerogene Infektionen infiziert werden. Auch eine Infektion über kontaminierte Materialien in der Umwelt, wie Staub oder Federn ist möglich, da MG auf diesen mehrere Tage überleben kann. Als Eintrittspforten beim Tier dienen der obere Respirationstrakt sowie die Konjunktiven. Neben klinisch-manifesten Fällen können auch subklinisch infizierte Tiere auftreten. Diese dienen als Erregerreservoir im Bestand, da sie den Erreger über lange Zeit symptomlos ausscheiden.

Bei der vertikalen Übertragung kann es neben dem Tod des Embryos auch zum Schlupf infizierter Küken kommen. Diese können den Erreger nun auch wieder horizontal auf empfindliche Tiere übertragen. 

Hierbei muss aber bedacht werden, dass die von Mycoplasma gallisepticum hervorgerufen Krankheit von verschiedenen Faktoren abhängig ist. Insbesondere Stress, aber auch eine erhöhte Virulenz des Erregers begünstigen einen klinisch-manifesten Ausbruch. Vor allem in der Legeperiode kommt es zu vermehrten Erkrankungen. Bei Broilern tritt die Krankheit meist um den Zeitpunkt der 4. Lebenswoche auf. 

MG-Infektionen führen zu beträchtlichen wirtschaftlichen Verlusten. Grund hierfür sind unter anderem die reduzierte Eiproduktion und die verminderten Schlupferfolge. Ebenfalls sorgen die verringerten Zunahmen sowie die recht häufigen Aerosacculitiden zum vermehrten Verwerfen von Schlachtkörpern auf dem Schlachthof. Aus diesem Grund ist die Erhaltung eines MG-freien Bestandes in der Geflügelhaltung von großer Bedeutung. 

MG infiziert ausschließlich Vögel. 

Pathogenese

Virulenzfaktoren:

Da die Pathogenese bei MG-Infektionen noch nicht vollständig geklärt ist, gibt es noch Unklarheiten welche Rolle bestimmte Virulenzfaktoren während der Infektion spielen. 

Wie alle Mykoplasmen besitzt auch MG weder eine Zellwand, noch Flagellen, noch Lipopolysaccharide. 

Allerdings verfügt MG über verschiedene Adhäsionsfaktoren, wobei besonders GapA und CrmA eine große Bedeutung innehaben. Diese spielen wohl bei der Besiedlung der Luftsäcke sowie anderer Gewebe eine entscheidende Rolle.

Weitere möglicherweise an der Adhäsion beteiligten Faktoren sind das PlpA (Pneumonia type protein) und das Hlp3 (HMW3-like protein), die an Fibronektin binden können.

Andere bekannte Virulenzfaktoren von MG sind die LAMP´s (Lipid associated membrane proteins) und die VlhA´s (variable lipoprotein hemagglutinin). Die LAMP´s führen zur vermehrten Produktion von proinflammatorischen Zytokinen in Monozyten und Makrophagen und damit zu einer überschießender Immunantwort. Die VlhA´s besitzen die Fähigkeit einer schnellen und reversiblen Phasenvariation, da sie von einer sehr großen Genfamilie codiert werden. Diese Eigenschaft spielt wahrscheinlich eine Rolle in der Immunevasion und der chronischen Infektion durch den Erreger. Die hohe antigenetische Varianz dieser Moleküle erschwert unter anderem auch den Nachweis durch serologische Tests.


Pathologische Symptome:

Das pathologische Erscheinungsbild einer Infektion mit MG kann stark variieren. Grund hierfür ist die Fähigkeit von MG in verschiedensten Geweben Schäden hervorzurufen.

Die Infektion mit MG erfolgt in der Regel über den oberen Respirationstrakt oder die Konjunktiven. Meist treten oberflächlichen Schäden auf, es kommt zu verstopften Nasengängen sowie katarrhalischen Exsudaten in der Trachea, den Bronchien und den Luftsäcken. Konjunktivitiden sind ebenfalls häufig zu beobachten.

Auch eine Aerosacculitis mit fibrinösen Exsudat kann auftreten.

Eine gleichzeitige Infektion mit Viren (Newcastle-disease-virus, oder Infektiöse-Bronchitis-Virus) oder Bakterien wie E. coli kann zu einem schweren Verlauf führen.

Neben dieser lokalen Wirkung besitzt MG die Fähigkeit Erythrozyten zu besiedeln, wodurch es zu einer systemischen Verbreitung kommen kann. Daraus resultieren Entzündungsreaktionen in der Leber, der Milz, der Niere, dem Herz und dem Hirn. Auch eine Assoziation mit Arthritiden und Salpingitiden ist beschrieben.

Eine weitere Infektionsform mit besonderer wirtschaftlicher Relevanz, ist die Infektion der embryonierten Eier. Über den Dottersack verbreitet sich der Erreger im Embryo und führt unter anderem zu generalisierten Ödemen, Splenomegalie sowie starken Lebernekrosen. Dies resultiert im Tod des Embryos.

Auch wenn die pathogenetischen Prozesse noch nicht vollständig geklärt sind, geht man davon aus, dass die Schäden infolge einer MG-Infektion zum Großteil durch eine starke Immundysregultation hervorgerufen werden. Unter anderem durch die LAMP´s kommt es zu einer überschießenden Immunreaktion, welche die durch den Erreger infizierten Gewebe schädigen. 

Klinik

Eine durch Mycoplasma gallisepticum hervorgerufene Erkrankung zeigt beim Huhn vor allem klinische Symptome im Bereich des Respirationstraktes. Es kann zu Rasselatmung, Niesen und Husten kommen. Ein wichtiges anderes Symptom, welches sich auf Herdenebene zeigt, ist die reduzierte Legeleistung mit verringerten Schlupferfolgen. Auch eine Keratokonjunktivitis mit Augenausfluss kann auftreten.

Bei Puten stellt sich die klinische Symptomatik aufgrund der erhöhten Empfindlichkeit schwerer dar. Wie auch bei Hühnern treten Husten, Niesen und Rasselatmung auf. Aufgrund der mitunter auftretenden Sinusitiden kann es bei betroffenen Puten auch zum vollständigen Verschluss der Augen kommen. Dies bedingt eine reduzierten Futteraufnahme und kann zu Gewichtsverlusten führen. Weiterhin kann es bei Puten auch zu einer Torticollis sowie zu einem Opisthotonus kommen, wenn das zentrale Nervensystem infiziert wird. Auch bei Puten kann in Zuchtbetrieben eine reduzierte Legeleistung auftreten.

Diagnose

Bereits das klinische Bild einer Erkrankung der oberen Atemwege, kann einen Hinweis auf Mycoplasma gallisepticum geben. Bei verendeten Tieren kann zudem in der Sektion und der histologischen Untersuchung einen Verdacht erregt werden.

Zum eindeutigen Nachweis wird ein Trachealtupfer genommen.

Aus diesem kann der Erreger angezüchtet werden, benötigt aber wie alle Mycoplasmenspezies, komplexe Medien und viel Zeit. Dies ist meist nur in speziellen Laboren möglich.

Der Erreger wird daher oft über einen Hämaglutinationshemmtest oder ein ELISA nachgewiesen. Inzwischen ist aber auch eine kombinierte PCR-DNA-Sondentechnik sehr beliebt.

Differentialdiagnose

Huhn:

  • Newcastle Krankheit
  • infektiöse Bronchitis
  • LPAI
  • infektiöse Laryngotracheitis
  • Colibazillose
  • Ornithobacterium rhinotracheale
  • Geflügelcholera (Pasteurella multocida)
  • Mycoplasma synoviae

 

Pute:

  • Newcastle Krankheit
  • LPAI
  • Aspergillose
  • Cryptosporidiose
  • Geflügelcholera
  • Bordetella avium
  • Chlamydiose
  • Mycoplasma synoviae

 Generell muss sowohl bei der Pute als auch beim Huhn bedacht werden, dass MG häufig Sekundärinfektionen hervorruft. Ein Nachweis von beispielsweise E. coli (im Falle der Colibazillose), schließt eine vorhergehende Infektion mit MG nicht aus.

Therapie

Eine vollständige Erregertilgung aus dem betroffenen Bestand ist nicht möglich. Die symptomatische Behandlung erfolgt mit Tetrazyklinen, Enrofloxacin, Tylosin, Tiamulin oder Erythromycin.

Die infizierten Zuchtbestände werden serologisch und kulturell überwacht. Bei einem positiven Nachweis verhindert die Behandlung von Bruteiern eine vertikale Übertragung

Prophylaxe

Zur Prophylaxe werden inaktivierte und Lebendimpfstoffe bei Hühnern ab der 4. Lebenswoche eingesetzt. 

Bei MG 6/85 (NobilisÒ) handelt es sich um einen attenuierten Lebendimpfstoff zur Immunisierung von Junghennen, der in Aerosol- Form an den Bestand verabreicht wird. Die Immunität bildet sich innerhalb von 4 Wochen nach der Gabe aus. Die Anwendung ist während der gesamten Legeperiode verboten, sodass der Impfstoff bis spätestens 4 Wochen vor dem erwarteten Legebeginn verabreicht wird. Die Impfung bietet keinen Schutz vor der Infektion oder Übertragung des Erregers, sondern verringert lediglich die durch M. gallisepticum verursachten Läsionen. 

Prognose

Gerade in Zuchtbeständen ist die Prognose ungünstig. Eine Erregerfreiheit ist nach Infektion meist nicht mehr zu erreichen und über die vertikale Übertragung können infizierte Küken entstehen. Aus diesem Grund werden betroffene Herden meist aufgelöst, soweit möglich geschlachtet und die Eier zerstört. Nach Reinigung und Desinfektion der Ställe, kann die Herde mit MG-negativen Tieren wieder aufgebaut werden.

Literatur/Weblinks