Taxonomie:
Ordnung: Mononegavirales
Familie: Bornaviridae
Gattung: Orthobornavirus
Aviäre Bornaviren weisen eine hohe genetische Variabilität auf und werden daher in Spezies und weiterhin in Genotypen unterteilt:
parrot bornavirus 1 (PaBV-1)
parrot bornavirus 2 (PaBV-2)
parrot bornavirus 3 (PaBV-3)
parrot bornavirus 4 (PaBV-4)
parrot bornavirus 7 (PaBV-7)
parrot bornavirus 8 PaBV-8)
Spezies: Psittaciform 2 orthobornavirus
parrot bornavirus 5 (PaBV-5)
parrot bornavirus 6 (PaBV-6)
Spezies: Passeriform 1 orthobornavirus
canary bornavirus 1 (CnBV-1)
canary bornavirus 2 (CnBV-2)
canary bornavirus 3 (CnBV-3)
munia bornavirus 1 (MuBV-1)
Spezies: Passeriform 2 orthobornavirus
estrildid finch bornavirus 1 (EsBV-1)
Spezies: Waterbird 1 orthobornavirus
aquatic bird bornavirus 1 (ABBV-1)
aquatic bird bornavirus 2 (ABBV-2)
Eigenschaften:
unsegmentiertes lineares Einzelstrang-RNA-Genom, negative Polarität, 9Kb
Transkription und Genomreplikation im Zellkern
behüllt, 80–130 nm Durchmesser
helikales Nukleokapsid
Tenazität:
empfindlich gegenüber Hitze (einmaliges Aufkochen oder zehnminütiges Erhitzen bei 70°C genügt) und saurem pH (< 4)
überlebt unter Umstände Jahrzente in getrocknetem oder geforenem Material
geeignete Desinfektionsmittel: Kaliumpermanganat und Kalkmilch, sowie chlorhaltige Desinfektionsmittel, außerdem UV-Strahlung
weit verbreitet bei gehaltenen und wildlebenden Vögeln
10-45% der gehaltenen Vögel positiv, ⅓ davon symptomfrei
besonders empfänglich: Aras, Amazonen, Graupapageien und Kakadus
Aviäre Bornaviren werden als Erreger der Proventricular Dilatation Disease angesehen, die besonders bei Papageienspezies und vor allem bei Aras, Amazonen, Graupapageien und Kakadus eine Rolle spielt.
Das Aviäre Bornavirus wird von infizierten Psittaziden wahrscheinlich mit dem Kot ausgeschieden. Die Infektion erfolgt aerogen bzw. oral. Im Gegensatz zu den streng neurotropen Borna-Viren der Säuger, wurde das Aviäre Bornavirus in zahlreichen Organen wie zum Beispiel Gehirn, Kropf, Drüsen- und Muskelmagen, Herz, Leber und Lunge, und dort in neuronalen und in nicht neuronalen Zellen nachgewiesen. Insgesamt kodiert das Genom der Aviären Bornaviren für 6 Proteine: das Nukleoprotein (N), das Protein X (X), das Phosphoprotein (P), das Matrixprotein (M), das Glykoprotein (G) sowie die RNA-abhängige RNA-Polymerase (L). Für die Rezeptorbindung ist vermutlich das G-Protein verantwortlich. In der infizierten Zelle wird dann das Nichtstrukturprotein X gebildet, welches eine regulatorische Funktion bei der Replikation in der Zelle hat. Die Transkription und Genomreplikationerfolgt, anders als bei anderen Mononegavirales, im Zellkern. Bis zum Auftreten klinischer Symptome können bis zu 10 Jahre vergehen, da mehrere Mechanismen die Aktivierung des angeborenen Immunsystems verhindern. Es wird angenommen, dass das Genom des Virus gekürzte 5’-Termini aufweist (“Genome Trimming“) und so die Erkennung durch intrazelluläre Sensoren verhindert wird. Auch das Phosphoprotein (P) führt durch Hemmung der NO-Synthese in den Astrozyten zu einer Immunevasion. Die plötzlich auftretenden Symptome der Erkrankung werden nicht durch das Virus selbst, sondern durch die Immunreaktion des Wirtes hervorgerufen und können durch Stress gefördert werden.
Bei einer Infektion gelangt das Virus vermutlich über den N.olfactorius ins limbische System und führt zu einer lymphozytären Meningoenzephalitis begleitet von Neurodegeneration und Mikrogliaaktivierung.
Im Rahmen der Entzündungsreaktion werden wahrscheinlich NO-Radikale und Superoxidradikale gebildet. Infolge dessen kommt es zur Bildung von Peroxynitriten, die zu einer Permeabilitätserhöhung der Blut-Hirn-Schranke und einem Einwandern von mononukleären Immunzellen in das ZNS führen. Auch das Komplementsystem spielt eine entzündungsfördernde Rolle. CD8+-Zellen gelten als wesentliche Mediatoren der Erkrankung : sie sollten infizierte Zellen abtöten, verursachen aber durch die Vielzahl infizierter Gehirnzellen, eine schwere Meningoenzephalitis.
Bedingt durch die Innervationsstörung, hervorgerufen durch die Neurodegenerationen, kommt es zu einer Muskelatrophie im Magen-Darm-Trakt, die sich in einer Atonie und Erweiterung des dünnwandigen Drüsenmagens zeigt. Daneben können aber auch der Kropf, andere Darmabschnitte und der Muskelmagen betroffen sein.
Klinisch ist die Erkrankung durch eine sehr variable, sich meist über Jahre hinziehende Inkubationszeit sowie durch Chronizität gekennzeichnet, welches vor allem ältere Vögel betrifft. Man unterscheidet 3 verschiedene Symptomkomplexe:
2. Gastrointestinale Symptome
3. Neurologische Symptome
Die Symptome können einzeln oder auch zusammen auftreten. Die Symptomarmut der Vögel macht die Erkennung teilweise sehr schwierig, da Vögel als Flucht- und Beutetier Krankheitsanzeichen erst sehr spät zeigen, wenn es ihnen nicht mehr gelingt diese zu verbergen.
Makroskopisch zeigt sich der hochgradig dilatierte, extrem dünnwandige, manchmal rupturierter Drüsenmagen. Zudem weist der Muskelmagen fehlenden Grit auf. Durch die bis zur Kachexie führenden Auszehrung mit starkem Schwund des Stammfettes und meist einer fortgeschrittenen Atrophie der Pectoralismuskulatur resultiert aus der ungenügenden Futterverwertung im Magen-Darmtrakt. Durch die zerstörten Ganglien in der Darmmuskulatur und einer katarrhalischen Enteritis kommt es einerseits zur Futteranschoppung im Oesophagus und Kropf und andererseits zu unverdautem Futter im Darm. Ein typischer Befund ist ebenso die vor allem rechtsseitige vorkommende dilatative Kardiomyopathie.
Die histologischen Befunde betreffen aufgrund der Klinik den Magen-Darmtrakt und das Nervensystem. Dementsprechend liegt eine nicht-eitrige Entzündung des peripheren, zentralen und autonomen Nervensystems und eine nahezu vollständige Atrophie der Lamina muscularis mucosae und Lamina propria mucosae des Drüsenmagens vor. Wie schon oben beschrieben zeigen sich histologisch lymphozytäre und plasmazelluläre Infiltrate in den Ganglien des Verdauungstrakts (Ganglioneuritis). Ebenso stellt sich eine lymphoplasmazelluläre Enzephalomyelitis, lymphozytäre Infiltrate im Hirnstamm vor allem um Blutgefäße herum (perivaskuläres cuffing) und eine Chorioretinitis dar.
Diagnostiziert wird diese Erkrankung mittels verschiedener Verfahren.
Zum einen zeigt sich auf dem Röntgenbild der typisch stark vergrößerte und dünnwandige Drüsenmagen. Bei einer Kontrastmitteluntersuchung kann außerdem die deutlich verlängerte Passagezeit beobachtet werden.
Für einen direkten Erregernachweis wird eine Endoskopie mit Biopsieentnahme durchgeführt. Die Probe kann beim toten Tier aus dem Kropf, Drüsenmagen, Muskelmagen, Darm, Leber, Herz oder Niere entnommen werden. Beim lebenden Tier kann auch mittles Kloakentupfer, Kot oder Blut eine Probe gewonnen werden. Die so erlangte Virus-RNA kann nun mit Hilfe eines Realtime-PCR diagnostiziert werden. Zusätzlich kann aus den Gewebeschnitten auch ein Antigennachweis über eine Immunhistochemie erstellt werden. Wobei ein positiver Befund allein beweisend ist und ein negativer eher fraglich.
Serologische Tests hingegen weisen Antikörper gegen das Virus nach. Hierfür kann man einen Westernblot, ELISA oder auch einen indirekten Immunfluoreszenztest verwenden. Da nicht alle infizierten Vögel Antikörper gegen das Bornavirus bilden ist dieser Test nur in Kombination mit einem RT-PCR aussagekräftig.
Allgemein wird eine RT-PCR in Kombination mit einer serologischen Untersuchung und unter Berücksichtigung der Klinik empfohlen, um zweifelsfrei eine Infektion mit dem aviären Bornavirus festzustellen.
Die Therapie erfolgt vordergründig mit Nicht-steroidalen Antiphlogistika. Beispielsweise können Celecoxib (10 mg/kg) oder Meloxicam (0,1-0,5 mg/kg) über 6-12 Wochen 1-2 mal täglich verabreicht werden.
Wichtig ist es außerdem gegebenenfalls die Sekundärinfektionen zu behandeln. Vorsichtig sollte man bei der Verwendung von Metoclopramid sein, wenn das Tier bereits neurologische Symptome zeigt. Unterstützend kann man zusätzlich hoch energetisches, leicht verdauliches Futter, Probiotika und die Zufütterung von Pankreasenzymen anwenden.
Um einer Infektion mit Aviären Bornaviren vorzubeugen ist eine ausführliche Ankaufsuntersuchung unerlässlich. Ist ein Tier seropositiv auf das Aviäre Bornavirus getestet worden, sollte man es nur mit ebenfalls seropositiven Tieren vergesellschaften.
Da die Erkrankung möglicherweise eine immunpathologischen Charakter hat, sollte man einer Impfung kritisch gegenüberstehen.