In intensiver Auseinandersetzung mit Karl Marx‘ Thesen befand sich insbesondere Max Weber (1864-1920).

Mit seinem Werk: „Protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus“ lieferte er eine Art Gegenentwurf zu Marx' Kapitalismusanalyse. Es ging ihm um die Frage, woher die spezifische ökonomische Rationalität des Kapitalismus stammt und er untersuchte diese mithilfe religionssoziologischer Studien.

Der abendländische und organisierte Kapitalismus ist nach Weber friedlich, rational organisiert und auf Dauer angelegt. Zentral seien darüber hinaus der Kauf von Arbeitskräften, die Investition von Gewinnen, die Trennung von Arbeits- und Privatsphäre, die rechtliche Trennung von Betriebs- und Privatvermögen, eine konsequente Buchführung, sowie die oberste Tugend der Tüchtigkeit.

Die Wurzeln des Kapitalismus entdeckt er im strengen Protestantismus calvinistischer Prägung. Dieser sei gekennzeichnet durch eine reglementierte Lebensführung, ein das ganze Leben durchdringendes Ethos von Verzicht und Selbstkontrolle und das Ideal der innerweltlichen Askese (im Gegensatz zur außerweltlichen des Mönchs oder der Nonne).

Der Glaube daran, nur wenige seien von Gott für das ewige Leben auserwählt, führte laut Weber zu einer existentiellen Vereinsamung, zu religiösen Ängsten und zu tiefer Unsicherheit. Die einzige Versicherung, dass man auserwählt sei, bestünde in täglicher gottgefälliger Lebensführung, was zu rastloser Arbeit und Pflichterfüllung geführt hätte. Wirtschaftlicher Erfolg, sowie Kapitalvermehrung diente als Selbstzweck und die Erträge wurden als Investition wieder in die Arbeit gegeben. Die Lebensführung der Calvinisten sei also auf Affektbeherrschung, Askese und Profit konzentriert gewesen. Das Resultat war ein christliches, durchrationalisiertes Leben mit täglicher Buchführung, was zu einer „Gefangenschaft“ der Menschen in den „Anstalten“: Behörden, Büros, Fabriken und staatlichen Organisationen geführt habe. Im Gegensatz zu Marx sind für Weber die genannten Ideen und Vorstellungen Antrieb des Kapitalismus und keinesfalls sekundär. Die Wirtschaftsform sei nicht Grundlage, sondern Konsequenz dessen.