Der Begriff des Habitus, maßgeblich geprägt durch Pierre Bourdieu, beschreibt Praxisformen und Repräsentationen, die von einer spezifischen Lebenswelt und Erfahrung geprägt sind. Er umfasst Geschmack, Bewertungen, Gefühlslagen, Lebensentwürfe, Handlungsstrategien, Körperhaltungen aber auch spontane Reaktionen. Sie alle sind inkorporierte soziale, also im Prozess der Sozialisation erworbene Strukturen. Anders als die Ideologie des Individualismus zu vermitteln versucht, beschreibt der Habitus kollektive Strukturen, die sich in einer spezifischen Umgebung herausbilden. Es sind die in der Umgebung existierenden Regelmäßigkeiten, die Strukturen erst hervorbringen, weshalb der Habitus dahin tendiert, sich durch die Generationen hindurch zu reproduzieren.

Die für einen spezifischen Typus von Umgebung konstitutiven Strukturen (etwa die eine Klasse charakterisierenden materiellen Existenzbedingungen), die empirisch unter der Form von mit einer sozial strukturierten Umgebung verbundenen Regelmäßigkeiten gefasst werden können, erzeugen Habitusformen, d. h. Systeme dauerhafter Dispositionen, strukturierte Strukturen, die geeignet sind, als strukturierende Strukturen zu wirken, mit anderen Worten: als Erzeugungs- und Strukturierungsprinzip von Praxisformen und Repräsentationen, die objektiv „geregelt“ und „regelmäßig“ sein können, ohne im Geringsten das Resultat einer gehorsamen Erfüllung von Regeln zu sein; die objektiv ihrem Zweck angepasst sein können, ohne das bewusste Anvisieren der Ziele und Zwecke und die explizite Beherrschung der zu ihrem Erreichen notwendigen Operationen vorauszusetzen, und die, dies alles gesetzt, kollektiv abgestimmt sein können, ohne das Werk der planenden Tätigkeit eines „Dirigenten“ zu sein.

aus: Bourdieu, Pierre 1976/1972: Entwurf einer Theorie der Praxis auf der ethnologischen Grundlage der kabylischen Gesellschaft. Suhrkamp, Frankfurt a.M. S. 164f