Arnold van Gennep (1873-1957), Vertreter der Durkheimschule, untersuchte die weit verbreiteten Übergangsriten und wurde durch seinen Einfluss auf die Vertreter der Manchester-Schule bekannt. Seiner Ansicht nach haben Übergangsriten sozialen Charakter und helfen der Gesellschaft und dem Einzelnen Grenzsituationen zu bewältigen. Diese Übergänge werden im übertragenen Sinne als eine Überschreitung von Schwellen, Brücken und Grenzen verstanden und können Initiationen, die Aufnahme in einen Bund oder auch Geburt und Tod meinen. Übergangsriten haben laut van Gennep folgende dreiteilige Struktur:

  1. Trennung vom bisherigen Status (séparation)
  2. Schwellen- und Grenzstatus (phase liminale)
  3. Wiedereingliederung (incorporation)

Später wurde diese Struktur von Victor Turner weiterentwickelt.

Das Leben eines Menschen besteht somit in einer Folge von Etappen, deren End- und Anfangsphasen einander ähnlich sind: Geburt, soziale Pubertät, Elternschaft, Aufstieg in eine höhere Klasse, Tätigkeitsspezialisierung. Zu jedem dieser Ereignisse gehören Zeremonien, deren Ziel identisch ist: Das Individuum aus einer genau definierten Situation in eine andere, ebenso genau definierte hinüberzuführen.

Übergangsriten erfolgen also, theoretisch zumindest, in drei Schritten: Trennungsriten kennzeichnen die Ablösungsphase, Schwellen- bzw. Übergangsriten die Zwischenphase (die Schwellen- bzw. Umwandlungsphase) und Angliederungsriten die Integrationsphase.

aus: Van Gennep, Arnold (1999): Übergangsriten. Frankfurt, New York: Campus. S. 15/21