Der Evolutionismus ist ein ethnologisches Paradigma, das die Fachdiskussion von der Hälfte des 19. Jhdts. bis Anfang des 20. Jhdts. prägte. Die Theoretiker, die ihm zugeordnet werden, betrieben bis auf wenige Ausnahmen keine Feldforschung und werden daher als Lehnstuhlethnologen bezeichnet.
Hauptthesen
- Universalgeschichte
- Übertragung biologischer Erkenntnisse zur physischen Evolution (Charles Darwin) auf die geistig/seelische Evolution der Menschheit (Annahme Tylors)
- geistig/seelische Einheit der Menschheit
- Idee der unilinearen Entwicklung der Gesellschaft von einer Entwicklungsstufe zur nächsten
- meist drei Entwicklungsstufen (siehe Dreistufenmodelle.)
- deterministische Geschichtsauffassung impliziert gleiche Entwicklung bei allen Völkern
- Kulturen sind im Bezug auf bestimmte Kulturelemente vergleichbar (Vergleichende Methode)
Methoden
- Vergleich von Quellen (z.B. Reiseberichten, Berichten von Missionaren, etc.)
- Historische Spekulation
- "survivals" als Ausgangspunkt der Rekonstruktion der menschlichen Vergangenheit
Vertreter
- Adam Ferguson (1723-1816)
- Auguste Comte (1798-1857; Wegbereiter des Positivismus und Evolutionismus
- Johann Jakob Bachofen (1815-1887)
- Lewis H. Morgan (1818-1881; Vater der Verwandtschaftsethnologie
- Herbert Spencer (1820-1903; prägte den Begriff des Sozialdarwinismus
- Henry Maine (1822-1888)
- Adolf Bastian (1826-1905)
- Edward Burnett Tylor (1832-1917; Vater der britischen Kulturanthropologie
- James George Frazer (1854-1941)
- Mary Kingsley (1862-1900)
Bedeutende Werke
- Frazer, James George: "The Golden Bough, a study of comparative Religion", 1890
- Tylor, Edward Burnett: "Researches into the early history of mankind"
- Tylor, Edward Burnett: "Primitive Cultures"
Kritik
- Deduktiver Ansatz der Lehnstuhlethnologen
- Vernachlässigung der Kenntnisse existierender Gesellschaften
- ethnozentristisches Weltbild der Evolutionisten
- Konzentration auf Aufrechterhaltung der Entwicklungsschemata
- Vorstellung die gesellschaftliche Entwicklung sei unilinear
- Evolution nach kapitalistischem Vorbild als Wettbewerb zwischen Gesellschaften