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Hier werden die Textentwürfe zu den einzelnen Stationen gesammelt.

| Station 1


| Station 2 Das Olympiagelände – schon immer ein Ort des Sports?

Wo sind wir?

Wir stehen jetzt vor dem Olympiastadion. Gleich machen wir uns auf - weiter in das Gelände des Olympiaparks und seine Geschichten hinein.

Heute ist das Gelände ein Ort des Sports und wird auch für Veranstaltungen und Bildung genutzt. Doch von Beginn an war Sport nicht der einzige Zweck. Wie wurde das Gelände früher genutzt und wie beeinflusste Politik und Ideologie die Gestaltung? Spuren davon sind bis heute sichtbar. Auf geht’s!

Du siehst das Stadion vor dir. Die Idee seiner Architekturweise entstand zu Beginn des 20. Jahrhunderts inspiriert von den olympischen Zwischenspielen 1906 in Athen. Unter Kaiser Wilhelm II. wurde hier 1913 das „deutsche Stadion“ eröffnet. Ab sofort konnte die Bevölkerung hier sportlichen und weniger sportlichen Freizeitaktivitäten nachgehen.

Der Architekt Otto March befürwortete eine „nationale“ Architektur und Baukunst mit antidemokratischen und antisemitischen Vorstellungen als Vorbild.

  • es ist hier etwas undeutlich, dass das "deutsche Stadion" von Wilhelm ja durch Hitlers Bau ersetzt worden ist. Das gerät hier durcheinander.. oder?

Doch wo wird die Verbindung von völkischer/nationalistischer Ideologie bei der Gestaltung des Geländes sichtbar? (diese Frage wird nicht beantwortet. Vielmehr: ideologisch intendierte Symbolik/Nutzweise des Ortes)

Zum einen in der Architektur des Stadions selbst.

  • inwiefern?

Auch wenn wir uns langsam vom Stadion verabschieden und nach rechts weiter in den Olympia-Park hinein gehen, können wir diese Ideen in der Umgebung erkennen: Wir wenden unseren Blick in Richtung des märkischen Kiefernwaldes und der Eiche. Bereits in den Plänen der Kaiserzeit wurde diese Landschaft so als explizit „deutsches“ Vorzeige-Merkmal der Natur aufgenommen. Die Verehrung der Nation als etwas „Heiliges und Ursprüngliches“ war ein zentrales Element der Planungen für das Gelände. Aber auch das spätere Konzept von Werner March 1926 war von einer „monumentale[n] Architektur und freier Landschaft aus dem Geist der jungen deutschen Sportbewegung“ geleitet. Sport, Architektur und Landschaftsgestaltung kamen also aus einem durchdachten Konzept, das von politischer Ideologie geprägt war. 1931 bekam Berlin den Zuschlag für die olympischen Spiele fünf Jahre später. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933, erkannten diese die Spiele als Chance der politischen Propaganda und gestalteten so das Gelände um. Das Stadion, das ihr heute sehen könnt, ist der neue, 1933 von Hitler angeordnete Großbau. Die Architektur sollte beeindrucken und überwältigen. Hitlers Vorstellung war, dass politische und nationale Stärke eben auch in der Architektur sichtbar werden müsse. Neben Sport-Veranstaltungen sollten nun auch politische Großveranstaltungen auf dem Gelände ausgerichtet werden. Der Architekt Werner March wollte in der Neugestaltung des Geländes die Verbindung der „zarten“ Landschaft und Baukunst erhalten. Schwere Bauten sollten nicht den Gesamteindruck belasten. Sport, Politik und Krieg waren eng verknüpft.

Neben den in die Landschaft eingebetteten Bauwerken sollten auch die Verkehrswege Teil eines ästhetischen Gesamtkonzeptes sein. Der NS-Stadtbaurat von Berlin teilte die Stadt dafür in sieben „Aufmarschbezirke“ ein, aus welchen die Menschenmassen zum Aufmarschgelände strömen sollten. So wurden sieben strahlenförmig angeordnete Zufahrtsstraßen gebaut.

Wie wurde das Gelände nach 1945 genutzt?

Trotz einiger Zerstörungen und Feuer blieb der Großteil des Geländes im Zweiten Weltkrieg erhalten. Ein Teil des Geländes wurde ab Anfang 1952 bis Mitte der 1990er Jahre von den britischen Streitkräften genutzt und nicht öffentlich zugänglich bis 1974. Daran erinnert heute ein Gedenkstein auf dem Adlerplatz. Das Gelände wird seit 1962 als Trainingsgelände von Hertha BSC. Auch andere Großveranstaltungen wie Konzerte oder Sportevents finden dort immer wieder statt.

Wie geht man mit dem Olympia-Gelände um?

Die Frage stellt sich seit dem Zweiten Weltkrieg immer wieder. Wie lässt sich mit dem NS-Erbe umgehen? Wie muss das Gelände kontextualisiert werden und wie und wofür darf es weitergenutzt werden?

So war es Adolf Hitlers Idee, mit Steinstelen an die deutschen Olympiasieger von 1936 zu erinnern. Mit einigen Ausnahmen während der Blockkonfrontation des Kalten Krieges wird bis heute so an die Olympiasieger*innen der BRD und DDR und des wiedervereinigten Deutschlands erinnert.

Anfang der 1990er Jahre plante die Stadt Berlin, Olympia nach 1936 ein zweites Mal in die Hauptstadt zu holen. Der Berliner Senat hatte die Bewerbung bereits wenige Tage nach der deutschen Wiedervereinigung 1990 beschlossen und drei Jahre später eingereicht. Man erhoffte sich, mit der Austragung der Spiele ein Symbol für ein geeintes Berlin als tolerante Metropole zu setzen. Die Bewerbung blieb nicht ohne öffentliche Reaktion. Gerade durch eine Welle von rechtsextremen Anschlägen auf migrantisierte Menschen in Hoyerswerder oder Rostock-Lichtenhagen, um nur zwei Ereignisse zu nennen, nahm die Diskussion über die Bewerbung an Fahrt auf.

Gefordert wurde: Will man die Spiele austragen, muss die Geschichte des Ortes aufgearbeitet werden. So wurden von der Stadt mehrere Gutachten in Auftrag gegeben. Ergebnis: Veränderungen am Gelände sind möglich, jedoch sollte der Gesamtkomplex erhalten werden. Ein Abriss und Neubau waren damit vom Tisch.

Und wenn die Spiele tatsächlich stattfinden, wie soll mit den Nazi-Skulpturen umgegangen werden? Verstecken ging aus politischen wie Denkmalschutzgründen nicht. Der Kulturpolitiker Hilmar Hoffmann schlug vor, die Skulpturen von ihren ursprünglichen Orten wegzubewegen und neu anzuordnen, um so die Wirkung der NS-Ideologie zu brechen. Die Debatte um den Ort nahm ein abruptes Ende: Die Entscheidung für den Austragungsort fiel auf Sydney, nicht auf Berlin.

Danach interessierte sich lange niemand mehr für den Olympiapark. Erst als die Fußballweltmeisterschaft 2006 näher rückte, wurden auch die alten Fragen wieder diskutiert: was tun mit den Skulpturen? Braucht es ein neues Konzept? Und nun auch: findet das Finale im Olympiastadion statt? Um das Gelände historisch zu kommentieren, wurden insgesamt 45 Bildtafeln auf dem Gelände aufgestellt. Mit dem Ende der WM verschwand wieder einmal auch der Olympiapark wieder aus dem öffentlichen Interesse.

In den letzten Jahren wird wieder mehr über die Zukunft des Olympiaparks gestritten. Auslöser diesmal: die Sanierung des baufälligen Olympiageländes. Sollte man die NS-Bauten wirklich restaurieren? Führt der Denkmalschutz nicht vielmehr dazu, dass die NS-Propaganda bis heute fortgesetzt wird? Einige fordern deshalb, alle Straßen- und Platznamen umzubenennen und die Skulpturen zu entfernen. Historisch belastete Plätze könnten anders genutzt werden. Andere argumentieren, dass mit einer Entfernung der Nazi-Kunst niemandem geholfen ist: wichtiger sei es, aufzuklären – etwa mit einem Dokumentationszentrum.


| Station 3

mit Anmerkungen, tabellarischem Entwurf & Kommentaren: https://docs.google.com/document/d/1sWMPxexuMCGf7aosGSdBO0DeyqeUBXAp5OThGSxm29o/edit?usp=sharing
hier der aktuelle Stand (28.06.2023, 10:00):

\\Weganweisung bis Station 3

Folge dem Gutmuthsweg weiter bis er die Friedrich-Friesen-Allee kreuzt.
Bevor du dir das nächste Audio anhörtst, kannst du dir gerne Zeit nehmen, die Kreuzung zu erkunden. Findest du Spuren der Geschichte des Olympia-Parks? 

\\@Mauer/Pfeiler (2787 Zeichen ~ 03:30 min)

Schau, von wo du hier her gekommen bist. Da ist der von Bäumen gesäumte Weg zum Olympia-Stadion.
Dreh dich um. Rechter Hand siehst du jetzt das Gebäude. Es ist eine große Turnhalle, die hier schon seit 1928 steht.  Sie war Teil der Deutschen Hochschule für Leibesübungen, einer Ausbildungsstätte für Sportlehrer*innen. 

Auf der anderen Seite steht eine Mauer.  Die wurde bei dem Ausbau des Geländes für die Olympischen Spiele 1936 gebaut. Auf der kurzen Seite, in Richtung Olympia-Stadion, prangt ein in Stein gemeißelter Adler über einem Kranz – Teile des nationalsozialistischen Staatswappens, das ab der Machtübernahme 1933 verwendet wurde. Es zeigte den sogenannten “Reichsadler” und das in einen Eichenkranz eingefasste Parteizeichen der NSDAP: Ein Hakenkreuz. 

1945 wurde es im Zuge der Entnazifizierung entfernt. 

Dass das Parteizeichen der Nationalsozialisten Teil des staatlichen Hoheitszeichens wurde, zeigt, wie offensiv ideologische Symbolik in die Öffentlichkeit getragen wurden. Hier im Olympia Park verweist es auf die politische Aufladung des Geländes. Die Olympischen Spiele 1936 boten die Möglichkeit der Präsentation des nationalsozialistischen Deutschlands gegenüber internationalen Gästen. 

Für die Gestaltung des Geländes wurde  #?# neben einem Architekturwettbewerb auch ein Kunstwettbewerb ausgeschrieben. Aus #?# Einreichungen wurden #?# Kunstwerke ausgewählt. Hauptsächlich handelt es sich um Skulpturen. Viele davon stehen noch heute dort, wo sie 1936 platziert wurden.

So auch die Skulptur auf der breiteren Seite der Mauer. Sie zeigt zwei über lebensgroße, nackte Männer. Beide haben dieselbe Haltung: aufrecht gehend, auf dem rechten Fuß vorn, die muskulären Oberkörper repräsentativ stolz in Richtung Betrachter:in gerichtet. Die Darstellungsweise sowie der Diskus in der Hand der vorderen Figur und das Tuch über der Schulter der hinteren Figur sind Anlehnungen an antike Körperdarstellungen. Sie folgen einer naturalistischen und idealistischen Ästhetik. Der Blick der Figuren ist in die Weite gerichtet.

Tritt man ein paar Schritte zurück, fällt auf, dass ihre Köpfe bis knapp unter die Stelle reichen, wo früher das Hakenkreuz hing. Die Skulptur trägt den Titel: “Die Kameraden”. Nicht zuletzt damit wird deutlich, wie eng Sport mit Militarismus verknüpft war. 

Seit 1945 ist das Hakenkreuz weg. Die Alliierten schoben damals mit der sogenannten Entnazifizierung die Befreiung von Einflüssen des Nationalsozialismus an. Besonders belastete Personen wurden abgesetzt und verurteilt, nationalsozialistische Schriften, Gesetze und Symbole verboten. Überall wurden die Hakenkreuze aus Fassaden gemeißelt. Auch im Olympiapark. Hier wurden Reichsadler, Eichenkranz und “die Kameraden” jedoch nicht entfernt. Ist diese Mauer damit tatsächlich ‘entnazifiziert’? 

\\Wegbeschreibung bis Sgrafitto

Wir möchten dir noch ein weiteres Werk zeigen, das bei dem Kunstwettbewerb 1936 ausgewählt und umgesetzt wurde. Dafür wende dich von der Mauer ab und folge der Friedrich-Friesen-Allee bis zur Eingangstür in den langen Gebäudeflügel, der an die große Turnhalle anschließt.

\\@Sgrafitto (5672 Zeichen ~ 07:00 min)

Der Eingang ist tagsüber immer offen, aber nicht barrierefrei. Es gibt Stufen. Falls du nicht in das Gebäude hineinkommst, kannst du dir die Fotos in der Galerie dieser Station anschauen.

Betritt man das Gebäude, so sind die eingeritzten Wandsgraffitos sehr schnell sichtbar. Abgebildet sind Männer, die Leibesübungen wie Bogenschießen ausführen und dabei nackt sind. Die Körperbilder erinnern stark an Skulpturen oder Malereien aus der Antike, die Männer haben alle einen trainierten Körper und die Genitalien sind klar sichtbar. Die Abgebildeten haben allesamt ein “nordisches” Aussehen. Des Weiteren bedienten sich die Nationalsozialisten eines Gedichts des deutschen Literaturwissenschaftlers Friedrich Theodor Vischer (* 30.06.1807, † 14.09.1887) namens “An die Empfindsamen". Dabei wurde das Gedicht allerdings verkürzt dargestellt und nur der Teil gezeigt, in dem es um die Kraft als Mittel zur Lösung geht. Dabei wird vor allem die Aufopferung für den höheren Zweck (also Krieg, Nation, Volk) betont und die sogenannte “Weichheit”(im Sinne des Auslassens) als Defizit dargestellt. Zudem ist ein starker Bezug zum Militär gegeben, denn im “Kampf” könne man aus der Kraft schöpfen. Der stählerne Körper ist schlussendlich zum Kämpfen für die Nation, für die Ideologie da, der Sport ist mittel zum Zweck, um ihn fit, trainiert und einsatzfähig zu halten.

Wie ist mit solchen Gravuren umzugehen?

Zunächst zum historischen Kontext: Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war die Rassenhygiene, basierend auf den Theorien des Sozialdarwinismus, nicht nur in Deutschland bekannt, sondern auch international wurden Sterilisierungsgesetze erlassen und durchgeführt (Graf; Schiefender, 2020). Die Nationalsozialisten hatten das Ziel “erbgesunde” Menschen für den sogenannten “Volkskörper” zu erziehen, dabei wurde die Eugenik negativ eingesetzt und Menschen mit Behinderungen oder beispielsweise psychischen Erkrankungen systematisch ausgelöscht. Der “Volkskörper” sollte neugestaltet werden, dabei waren das griechische Schönheitsideal der Antike, aber auch andere mythische Vorbilder die Prototypen der “Arier”, der als großer, blauäugiger, junger Mann illustriert wurde (Diehl, 2006). So symbolisierte der “krisenfeste arische” Körper Reinheit, Schönheit und Gesundheit, dies war gleichbedeutend für die Nationalsozialisten mit einem gesunden Geist und einem starken Charakter (Graf; Schiefender, 2020). Da die biologischen Eigenschaften und die “rassische” Qualität des Körpers über den Ein- und Ausschluss in die “Volksgemeinschaft” entschieden, verwundert es nicht, dass ein solches Sgraffito in der Turnhalle des Olympiaparks zu finden es, zumal die Gestaltung der Figuren alle eben genannten Kriterien erfüllt.

Doch welche Symbolik, welche politische Funktion, wurde dem Körper in der NS-Zeit zugeschrieben? Und warum sind die Körper nackt?

HItler kreierte eine Imaginärpolitik, welche über Bilder, Diskurse und Erlebnisse die Körper auf einen einheitlichen Zweck ausrichten sollte, nämlich auf die Formierung leistungsfähiger Einzelkörper zu einem Volkskörper und dessen Unterordnung unter die Befehlskraft eines Führers (Gamper, 2006). Die Massenveranstaltungen im Olympiapark waren die eine Seite, sie sollten das "Volk" zu einem gemeinsamen Konsens bringen und die dargestellten Körper in Form von Statuen, Symbolen oder auch Sgraffitos halfen dabei, die von den Nationalsozialisten festgelegte Norm in den Köpfen der Menschen zu verknüpfen. Über den Körper wurde hier also die (bio)-politische Haltung übertragen. Die Nacktheit der Figuren lässt sich daran erklären, dass sie die reinste natürliche Art des Menschen, ohne Verkleiden oder Verstecken der Körperteile, darstellte. Die Körper waren nackt "unmarkiert", "ungeschützt" (und deshalb besonders heroisch), aber auch: "frei verfügbar" im übertragenen Sinne für alle Zwecke (Gamper, 2006).

Die Nationalsozialisten verbanden einen gesunden Körper, eine gesunde "Volksgemeinschaft" mit der Erhaltung der Natur, dies war sowohl landschaftlich (also der Schutz der Natur beispielsweise durch das Reichsschutzgesetz 1935) gemeint, als auch körperlich, denn nur durch die sportliche Ertüchtigung (die am Ende für den Krieg gegen andere, unterlegene Völker eingesetzt wird) in einer gesunden Natur kann diese Ideologie aufrechterhalten werden. Die Darstellung der nackten Körper ist demnach eine Inszenierung dieser Thesen und findet in dieser Form den Zusammenschluss von Sport, Politik und Körperbildern in NS-Deutschland.

Der Sportjournalist und Chefredakteur des Journal of Olympic History, Volker Kluge, vertritt die Ansicht, dass die Sgrafittos im Turnhaus und andere Malereien und Skulpturen im Olympiapark nicht pauschal als „Nazi-Kunst“ abgetan werden können. Einerseits seien viele der Künstler (u.a. Arno Breker, Louis Gruber und Willy Meller) internationalen Trends gefolgt. So seien während der 1930er Jahre auch in anderen europäischen Großstädten wie Athen, Amsterdam und Rom beispielsweise überdimensionale Skulpturen ausgiebig trainierter, männlicher Körper errichtet worden.  Darüberhinaus seien die in der Frühphase des NS-Regimes errichteten Skulpturen und Malereien im Olympiapark noch nicht so stark von der Regime-Spitze (v.a. Goebbels und Hitler) reglementiert gewesen, wie spätere Kunstwerke. Die NS-Führung habe bei der Erbauung des Reichssportfeldes aus taktischen Gründen Zurückhaltung in der ideologischen Ausgestaltung der Kunst walten lassen, um das für die olympischen Spiele zu erwartende internationale Publikum nicht zu verprellen. Dementsprechend sei es gegenüber den Künstlern nicht fair, ihre im Olympiapark bis heute sichtbaren Skulpturen und Malereien pauschal als „Nazi-Kunst“ abzuwerten. (Vgl. Kluge, Volker (2020): Was versteht man eigentlich unter „Nazi-Kunst“? URL: https://olympischesfeuer-dog.de/2020/08/31/was-versteht-man-eigentlich-unter-nazi-kunst/ )

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| Station 6

Maifeld, Glockenturm und Langemarkhalle

Diese ineinander wirkenden Ensembles des Olympiaparks wurden ebenfalls 1936 nach Plänen von Werner March errichtet. Architektonisch gesehen bilden die Langemarkhalle, der Glockenturm und das Maifeld den „dramaturgischen Höhepunkt“ der Ost-West-Achse des Geländes. Dies wird auch dadurch unterstrichen, dass das Olympiastadion sich mit dem 25 Meter breiten Marathontor, gerahmt von zwei Treppentürmen, nach Westen hin zum Maifeld und dem Glockenturm öffnet. Diese architektonische Inszenierung können Sie von der Spitze des Glockenturms besonders gut erkennen. Der Eintritt ist jedoch kostenpflichtig.

Das Maifeld war ursprünglich als Platz für die nationalsozialistische Inszenierung des 1. Mai sowie andere propagandistische Veranstaltungen vorgesehen. Während der Olympischen Spiele 1936 fanden auf dem Maifeld Polo- und Dressurreiten Wettbewerbe statt. Es ist 112.000 Quadratmeter groß und war für bis zu 310.000 Besuchende entworfen.

Anders als geplant wurde es jedoch nur selten für propagandistische Aufmärsche genutzt. Die Ausnahmen bildeten ein Auftritt von 20.000 Berliner Schüler*innen während der olympischen Spiele und ein Deutschlandbesuch des italienischen Diktators Benito Mussolini im September 1937, bei dem auch Hitler und Goebbels reden hielten. Heutige Schätzungen gehen von 700.000 Besuchenden bei dieser Veranstaltung aus. Während der britischen Nachnutzung fanden dort die Geburtstagsparaden für Queen Elizabeth II. statt, die jährlich tausende Berliner*innen anlockte. Darüber hinaus gab es auch große Konzerte von unter anderem Genesis, Pink Floyd oder auch Tina Turner.

Der Glockenturm, auf dessen Aussichtsplattform Sie sich eventuell grade befinden, ist 76 Meter hoch und war während der Olympischen Spiele ein Beobachtungsturm für die Festleitung, die Polizei, den Sanitätsdienst, sowie für die Rundfunk- und Filmberichterstattung. Die 4,28 Meter hohe Olympiaglocke, welche nicht mehr im Glockenturm hängt, war das Logo der Olympischen Spiele 1936. Auf ihr waren die olympischen Ringe, ein Reichsadler und das Brandenburger Tor abgebildet. Reichssportführer Hans von Tschammer erklärte die Olympiaglocke zum „ewigen Mahner an den Opfertod unserer Helden“ und zu einer „Verpflichtung für die Lebenden“. Aufgrund von starken Beschädigungen und daraus resultierender Einsturzgefahr wurde der Turm 1947 von britischen Pionieren gesprengt. Zwischen 1960 und 1962 wurde der Turm dann nach Originalplänen wieder aufgebaut und 2006 im Rahmen der Fußballweltmeisterschaft für knapp 7.000.000 Euro komplett modernisiert. Die alte Glocke wurde bei der Sprengung 1947 stark beschädigt und erst aufgrund der klaren nationalsozialistischen Ikonografie vergraben. Und heute? Inzwischen wurde sie wieder ausgegraben und ist jetzt als „Denkmal“ an der Südseite des Olympiastadions zu sehen. Die neue Glocke ist aber wesentlich kleiner. Auf ihr sind der Bundesadler und das Brandenburger Tor zu sehen. Der Textabschnitt mit den Worten „ich rufe die Jugend der Welt“ ist aber identisch mit dem Text auf der Glocke von 1936.

Die Langemarkhalle befindet sich am Fuße des Turms und ist in der Regel frei zugänglich. Sie können also kurz auf Pause drücken, und sich in die Halle begeben und dort weiterhören. Die Langemarkhalle soll an die Gefallenen der Schlacht bei Langemarck im belgischen Flandern erinnern. Dort sind zu Beginn des Ersten Weltkrieges im Jahr 1914 zehntausende schlecht ausgebildete und ausgerüstete junge Reservisten von der deutschen Militärführung in den Tod geschickt worden, um einen Durchbruch der Front zu erreichen. Noch während des Krieges fand eine mystische Verklärung dieser Schlacht statt. Es war von einem Opfergang der Jugend die Rede, welche sich aus Patriotismus und das Deutschlandlied singend in die Schlacht stürzt. Nach dem Krieg bildete sich dann ein immer weiter den Heldentod idealisierender Mythos von Langemarck. Die Nationalsozialisten nahmen diesen Mythos bereitwillig auf, da die Opferbereitschaft für Deutschland auch ein zentraler Bestandteil der nationalsozialistischen Ideologie war. In Verbindung mit dem vom Sport geformten stählernen Körper, entsteht dann der perfekte nationalsozialistische Soldat. Auch für die Olympischen Spiele 1936 spielte dieser Mythos eine Rolle, indem auf die geplanten, aber wegen des Kriegs abgesagten Olympischen Spiele von 1916 Bezug genommen wurde: Die Teilnahme an den Spielen, so der Mythos, wurde den Gefallenen verwehrt und nun, 1936, sollte Ihnen deshalb besonders gedenkt werden.

An den 12 Stützpfeilern im Inneren der Halle waren die 76 Fahnen der Regimenter, sowie an den Wänden die zehn Stahlschilde mit den Namen der Divisionen angebracht worden, welche in der Schlacht von Langemarck kämpften. Vor einem aus dem Boden herausgehobenen Block wurde mit einer Stahlplatte bedeckte Erde vom Friedhof von Langemarck, wo viele der deutschen Soldaten beerdigt sind, aufbewahrt. Inzwischen wurden diese ganzen Insignien aus der Langemarckhalle entfernt und es gibt ein paar Ausstellungstafeln mit Hintergrundinformationen. Unverändert bleibt allerdings die Architektur mit erdrückender Wirkung: weiterhin wird hier an die aus heutiger Sicht sinnlosen Opfer dieser jungen Männer gedacht.