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Ethnologisches Lesen ist kritisches Lesen. Folgende Fragen sind Grundlage jeder Quellenkritik:

  • Wer ist der Autor?
  • Wann wurde der Text geschrieben?
  • Wo liegt das vom Autor beschriebene Feld?
  • Aus welcher Gesellschaft heraus wurde der Text produziert

...

  • ?
  • An welches Publikum ist er gerichtet?
  • Wie wird Wir und wie Die definiert?

Texte sind über ihre inhaltliche Komponente hinaus stets transportieren nie allein einen gewissen intendierten Inhalt, sondern sind in ihrer Eigenschaft als kulturelle Dokumente zumeist unbewusster und ungewollter Ausdruck ihres gesellschaftlichen Kontextes. Sie sind kulturelle Dokumente, deren beide Komponenten der Forscher gleichermaßen deuten muss.

Bei der Analyse eines Textes spielen dieselben Kriterien wie bei der Feldforschung eine Rolle. Der Forscher muss sich seines Vorverständnisses, also seiner wertbehafteten Vormeinung bewusst sein. Er sollte nicht vorurteilsfrei tun, denn das ist er nicht. Der Forscher stammt selbst aus einem sozialen sowie zeitlichen Kontext.

Den Subtext, also das was neben dem Inhalt sowohl unbewusst wie ungewollt mitschwingt, beispielsweise Kernmetaphern oder Symbole aus der spezifischen Entstehungszeit, gilt es herauszuarbeiten. Sozial- und Kulturanthropologen müssen sich ihrer eigenen Rezeptionszeit bewusst sein, also auch der Tatsache, dass beispielsweise Fehler entstehen, die sie in ihrer Zeit gar nicht kennen können. Dieses eigene Bewusstsein darüber, dass man ebenso nur ein „Kind seiner Zeit“ ist, ist wissenschaftlich korrekte Zurückhaltung. So gibt es nur Lesarten und keine absoluten Wirklichkeitswahrnehmungen.

Die dem Forscher begegnende Sprache ist Kontexts. Kernmetaphern und Symbole, die den Subtext bilden, entstammen der spezifischen Entstehungszeit und dienen als Indizien für den sozialen Code, dem der Verfasser unterworfen ist. Wichtig ist zudem, dass die dem Forscher begegnende Sprache keine Abbildung der Wirklichkeit und kein wertefreies Medium ist, sondern bereits Interpretation. Grundsätzliche Eins-zu-Eins-Übersetzbarkeit ist nicht möglich. Der ethnologische Forscher kann beim Rezipieren eines Textes zunächst kontextfrei lesen und sich allein mit dem Inhalt auseinandersetzen, während er danach kontextuell und systemisch vorgehen könnte.

Die Analyse eines Texts sollte denselben Kriterien wie die Feldforschung folgen. Der Forscher sollte nicht vorgeben, vorurteilsfrei zu sein, sondern sich seines eigenen sozialen und zeitlichen  Kontexts und seines Vorverständnisses bewusst werden. Die Einsicht, selbst "Kind seiner Zeit" zu sein, folgt dem Anspruch wissenschaftlich korrekter Zurückhaltung. So gibt es nur Lesarten und keine absoluten Wirklichkeitswahrnehmungen sollte bei dem rezipieren eines Textes folgendermaßen vorgehen: (1) Kontextfreies Lesen, also sehr genaues Lesen und ausschließliche Beschäftigung mit der inhaltlichen Komponente. (2) Kontextuelles Lesen, Kontext herstellen zu beispielsweise Kunst und Literatur, also eine erkenntnisfördernde Verfremdung des Textes.